Lunae Montes - Teil 10 - No Worry
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Eis am Äquator, Viertausender in Afrika. Die von Ptolemäus erwähnten Lunae Montes als große Attraktion. Die Schneemassen der Mondberge speisen die sagenumwobenen Quellläufe des Nil. Die Legenden um Burton, Speke, Emin Pascha, Stanley und Livingstone beflügeln die Phantasie. Entlang des Weges: Kilimanjaro, Mount Meru, die Virunga Vulkane und Mount Elgon. Und alles was dazwischen liegt. Terra incognita, 1980 - 1981
Gisenye
Unter dem Vordach der Hütte kann ich den Regen aussitzen. Es gibt gegrillte knorpelige Fleischspießchen, small meat. Fünf Spießchen ersetzen das Abendessen.
Endlich ein Auto, ein Toyota Pickup. Meine Hoffnung auf eine Fahrgelegenheit sinkt. Drangvolle Enge. Irgendwie wird Platz gemacht, für meinen Rucksack und mich.
Meine Sorge war unbegründet; der Fahrer hält ständig um mehr Leute aufzunehmen. Bald schätzte ich die Anzahl der Fahrgäste auf knapp fünfunddreißig, Kleinstkinder und Hühner nicht mitgerechnet. Viele sitzen auf den Stangen des Gerüstes; der Pickup schlingert bedenklich in den Spurrillen der Staubstraße und den Kurven.
Jetzt wird ein Sarg hinzugeschoben, nebst Begleitmannschaft. Jemand wirft ein Kreuz hinterher. Viele Mitreisende können sich jetzt zumindest auf die Holzkiste setzen.
Going to Uganda
Suuuure, frieeeend, don’t worry about, hatte der Attaché in der Ugandischen Botschaft in Kigali mich angelacht, auf meine Frage ob es möglich sei das Land zu bereisen und, wenn möglich, Berge zu besteigen. Immerhin gab er mir noch einen Zettel mit Stempel, besagend dass ich kein Visum benötige.
In der schummrigen, von einer nackten Glühbirne behangenen Hinterhof-Kneipe in Kigali feixt mein Gegenüber: they will shoot you, cause they have no meat…
Ich schaukle im legendären Peugeot 404 familiale in Richtung Grenze. Um die Sicherheit seiner Passagiere zu maximieren, hat der Fahrer alle Fensterhebel und Türöffner abmontiert; so kann in dem Gedränge niemand versehentlich drankommen. Er fährt so schnell wie er kann, um die zeitliche Exposition so gering wie möglich zu halten.
Es regnet. Eine Holzstange über zwei Benzinfässer, eine wackelige Brücke, wieder eine Holzstange über zwei Fässer. Der mürrische ruandische Grenzbeamte kocht sich etwas. Mittagspause. Ich bin soweit der einzige Reisende an der Grenze, bis auf die mit Scheinen wedelnden Geldwechsler. Ich bin unsicher ob des Betrages. Was brauche ich auf jeden Fall – und welchen Verlust könnte ich ertragen? Ein Versuch des Handelns scheitert, die Raten scheinen bombenfest. Ich entscheide mich für zirka 300 Mark; der Shilling-Stapel ist zwanzig Zentimeter hoch, mehr passt nicht in den Rucksack.
Den Beamten in Uganda muss ich suchen. Impfausweis, Devisenerklärung, Zollerklärung, alles unwichtig. Der Pass, unwichtig. Wieder bekomme ich einen Zettel, gestempelt mit einem Stempel ohne Tinte.
Hinter der Grenze wartet ein Pickup. Zwei gut-gekleidete Herren bieten mir Zigaretten- und Edelsteingeschäfte an. Die ersten Roadblocks. Bewaffnete springen aus den Gräben, machen Drohgebärden, jedem hängt eine Zigarette im Mund. Ersatzmagazine sind mit Heftpflaster an die Handgriffe der Kalaschnikows geklebt. Beim zweiten Mal wird das Auspacken des Rucksackes schon Routine.
Hintergrund: Idi Amin galt als der Horroclown der afrikanischen Despoten. Er wurde von der tanzanischen Armee entmachtet und vertrieben, die daraufhin das Land besetzt hielt. Sein Vorgänger und auch Nachfolger war Milton Obote, der im Dezember 1980 sein Präsidentenamt aufnahm, unter Vorhaltungen des Wahlbetruges. Im Dezember 1980 began ich meine Reise. Auch Obote war nicht zimperlich mit seinen Gegnern. Auch in den Folgejahren starben hundert-tausende Menschen in den Konflikten.
Idi Amin, hier bei einem Treueschwur der Europäer, die die ugandische Staatsangehörigkeit beantragt hatten. Das war ca. 3 Jahre vor meiner Reise
Kabale
Getreu den Warnungen – don’t move at night – lasse ich mich in Kabale absetzen. Im ersten Ort hinter der Grenze sondiere ich die Situation. Verbrannte, plattfüßige, ausgeschlachtete Autowracks am Straßenrand. Ausgeräumte Regale hinter blinden Fenstern, verschlossene Läden, verblichene Werbung, wolkenverhangener Himmel, ein Betrunkener lallt etwas von Ausgangssperre.
Zurück im einzigen Hoteli des Ortes. Die Kellner laufen mit weißem Tüchern durch den Hof, swingend zur Charleston Musik. Ein leckeres Abendessen bei Kerzenschein, mit Fleisch und Pommes Frittes. Zum Kaffee gibt es sogar ein bisschen Zucker. Mein in Kigali als Kalorienbombe für den Ruwenzori erstandenes Pfund Zucker werde ich wohl nicht brauchen. Ob ich noch ein heißes Bad wünsche? Überwältigt, verschiebe ich es auf den Morgen, und mache mir Gedanken über Schein und Wirklichkeit.
Nachts im Zimmer. Mein Schlüssel steckt von innen. Von draußen fummelt jemand dran herum, die Tür öffnet sich. Jetzt kommen sie dich holen. Ich frage was los sei. Der angetrunkene Gast bemerkt seinen Irrtum, der herbeilaufende Kellner entschuldigt sich wortreich.
Mbarara
Ahhh, from Germany. Hey, friend, what did you bring us from Germany? I need these shoes. Der Soldat am Roadblock kramt in meinem Rucksack. Meine Bergschuhe, die brauch ich doch am Ruwenzori.
Ich tue so, als hätte er einen guten Witz gemacht, lache ihm ins Gesicht, greife meine Schuhe mit fester Hand und stecke sie zurück in den Rucksack. Ein anderer Soldat bedeutet das Ende der Kontrolle. Meine kenianischen LKW Fahrer verteilen noch ein paar Scheine, dann sind wir weg.
Der Truck ist ziemlich neu und riesengroß, mit Kaffeemaschine. Draußen ist es grün, Gemüse überall. Kollabierte LKWs am Straßenrand.
Ich steige in Mbarara aus, habe mich entschlossen zum Ruwenzori ab zu biegen. Ein Ort in Schutt und Asche. Ein Drittel der Häuser steht noch, davon nur wenige bewohnbar. Die Läden sind leer, es gibt etwas Marktbetrieb. Ein kleines Lokal, bunt bemalt, leer. Die kleine runde Kellnerin bringt mir ndizi – Kochbananen – und setzt sich zu mir. Die schadhaften Stellen im Putz sind Einschusslöcher, erklärt sie. Sie spricht perfekt Englisch, erkundigt sich nach den Verhältnissen in Deutschland, und welcher Sinn im Bergsteigen steckt.
Mein Hoteli ist eine Ruine. Pappe ersetzt fehlende Glasscheiben. Die Hausdame entleert eine komplette Dose Doom in meinem Zimmer, das ist im Preis inbegriffen. Außer dem eisernen Bettgestell ohne Matratze, keine Möbel. Ich schaue auf hohläugige und ausgebrannte Häuser. Ein Irrer läuft brüllend die halbe Nacht die Straße auf du ab.
...Erst denke ich es gut erwischt zu haben, hinten imPeugeot 404 familiale. Dann wird es eng. Am schlimmsten haben es die Mitfahrer auf der Mittelbank. Dort sitzen zwei Reihen aufeinander; andere Passagiere stehen vor ihnen mit den Oberkörpern über den Vordersitzen. Fünfzehn Erwachsene und drei Kinder. Es sind 150 Kilometer von Mbarara nach Kasese.
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Gisenye
Unter dem Vordach der Hütte kann ich den Regen aussitzen. Es gibt gegrillte knorpelige Fleischspießchen, small meat. Fünf Spießchen ersetzen das Abendessen.
Endlich ein Auto, ein Toyota Pickup. Meine Hoffnung auf eine Fahrgelegenheit sinkt. Drangvolle Enge. Irgendwie wird Platz gemacht, für meinen Rucksack und mich.
Meine Sorge war unbegründet; der Fahrer hält ständig um mehr Leute aufzunehmen. Bald schätzte ich die Anzahl der Fahrgäste auf knapp fünfunddreißig, Kleinstkinder und Hühner nicht mitgerechnet. Viele sitzen auf den Stangen des Gerüstes; der Pickup schlingert bedenklich in den Spurrillen der Staubstraße und den Kurven.
Jetzt wird ein Sarg hinzugeschoben, nebst Begleitmannschaft. Jemand wirft ein Kreuz hinterher. Viele Mitreisende können sich jetzt zumindest auf die Holzkiste setzen.
Going to Uganda
Suuuure, frieeeend, don’t worry about, hatte der Attaché in der Ugandischen Botschaft in Kigali mich angelacht, auf meine Frage ob es möglich sei das Land zu bereisen und, wenn möglich, Berge zu besteigen. Immerhin gab er mir noch einen Zettel mit Stempel, besagend dass ich kein Visum benötige.
In der schummrigen, von einer nackten Glühbirne behangenen Hinterhof-Kneipe in Kigali feixt mein Gegenüber: they will shoot you, cause they have no meat…
Ich schaukle im legendären Peugeot 404 familiale in Richtung Grenze. Um die Sicherheit seiner Passagiere zu maximieren, hat der Fahrer alle Fensterhebel und Türöffner abmontiert; so kann in dem Gedränge niemand versehentlich drankommen. Er fährt so schnell wie er kann, um die zeitliche Exposition so gering wie möglich zu halten.
Es regnet. Eine Holzstange über zwei Benzinfässer, eine wackelige Brücke, wieder eine Holzstange über zwei Fässer. Der mürrische ruandische Grenzbeamte kocht sich etwas. Mittagspause. Ich bin soweit der einzige Reisende an der Grenze, bis auf die mit Scheinen wedelnden Geldwechsler. Ich bin unsicher ob des Betrages. Was brauche ich auf jeden Fall – und welchen Verlust könnte ich ertragen? Ein Versuch des Handelns scheitert, die Raten scheinen bombenfest. Ich entscheide mich für zirka 300 Mark; der Shilling-Stapel ist zwanzig Zentimeter hoch, mehr passt nicht in den Rucksack.
Den Beamten in Uganda muss ich suchen. Impfausweis, Devisenerklärung, Zollerklärung, alles unwichtig. Der Pass, unwichtig. Wieder bekomme ich einen Zettel, gestempelt mit einem Stempel ohne Tinte.
Hinter der Grenze wartet ein Pickup. Zwei gut-gekleidete Herren bieten mir Zigaretten- und Edelsteingeschäfte an. Die ersten Roadblocks. Bewaffnete springen aus den Gräben, machen Drohgebärden, jedem hängt eine Zigarette im Mund. Ersatzmagazine sind mit Heftpflaster an die Handgriffe der Kalaschnikows geklebt. Beim zweiten Mal wird das Auspacken des Rucksackes schon Routine.
Hintergrund: Idi Amin galt als der Horroclown der afrikanischen Despoten. Er wurde von der tanzanischen Armee entmachtet und vertrieben, die daraufhin das Land besetzt hielt. Sein Vorgänger und auch Nachfolger war Milton Obote, der im Dezember 1980 sein Präsidentenamt aufnahm, unter Vorhaltungen des Wahlbetruges. Im Dezember 1980 began ich meine Reise. Auch Obote war nicht zimperlich mit seinen Gegnern. Auch in den Folgejahren starben hundert-tausende Menschen in den Konflikten.
Idi Amin, hier bei einem Treueschwur der Europäer, die die ugandische Staatsangehörigkeit beantragt hatten. Das war ca. 3 Jahre vor meiner Reise
Kabale
Getreu den Warnungen – don’t move at night – lasse ich mich in Kabale absetzen. Im ersten Ort hinter der Grenze sondiere ich die Situation. Verbrannte, plattfüßige, ausgeschlachtete Autowracks am Straßenrand. Ausgeräumte Regale hinter blinden Fenstern, verschlossene Läden, verblichene Werbung, wolkenverhangener Himmel, ein Betrunkener lallt etwas von Ausgangssperre.
Zurück im einzigen Hoteli des Ortes. Die Kellner laufen mit weißem Tüchern durch den Hof, swingend zur Charleston Musik. Ein leckeres Abendessen bei Kerzenschein, mit Fleisch und Pommes Frittes. Zum Kaffee gibt es sogar ein bisschen Zucker. Mein in Kigali als Kalorienbombe für den Ruwenzori erstandenes Pfund Zucker werde ich wohl nicht brauchen. Ob ich noch ein heißes Bad wünsche? Überwältigt, verschiebe ich es auf den Morgen, und mache mir Gedanken über Schein und Wirklichkeit.
Nachts im Zimmer. Mein Schlüssel steckt von innen. Von draußen fummelt jemand dran herum, die Tür öffnet sich. Jetzt kommen sie dich holen. Ich frage was los sei. Der angetrunkene Gast bemerkt seinen Irrtum, der herbeilaufende Kellner entschuldigt sich wortreich.
Mbarara
Ahhh, from Germany. Hey, friend, what did you bring us from Germany? I need these shoes. Der Soldat am Roadblock kramt in meinem Rucksack. Meine Bergschuhe, die brauch ich doch am Ruwenzori.
Ich tue so, als hätte er einen guten Witz gemacht, lache ihm ins Gesicht, greife meine Schuhe mit fester Hand und stecke sie zurück in den Rucksack. Ein anderer Soldat bedeutet das Ende der Kontrolle. Meine kenianischen LKW Fahrer verteilen noch ein paar Scheine, dann sind wir weg.
Der Truck ist ziemlich neu und riesengroß, mit Kaffeemaschine. Draußen ist es grün, Gemüse überall. Kollabierte LKWs am Straßenrand.
Ich steige in Mbarara aus, habe mich entschlossen zum Ruwenzori ab zu biegen. Ein Ort in Schutt und Asche. Ein Drittel der Häuser steht noch, davon nur wenige bewohnbar. Die Läden sind leer, es gibt etwas Marktbetrieb. Ein kleines Lokal, bunt bemalt, leer. Die kleine runde Kellnerin bringt mir ndizi – Kochbananen – und setzt sich zu mir. Die schadhaften Stellen im Putz sind Einschusslöcher, erklärt sie. Sie spricht perfekt Englisch, erkundigt sich nach den Verhältnissen in Deutschland, und welcher Sinn im Bergsteigen steckt.
Mein Hoteli ist eine Ruine. Pappe ersetzt fehlende Glasscheiben. Die Hausdame entleert eine komplette Dose Doom in meinem Zimmer, das ist im Preis inbegriffen. Außer dem eisernen Bettgestell ohne Matratze, keine Möbel. Ich schaue auf hohläugige und ausgebrannte Häuser. Ein Irrer läuft brüllend die halbe Nacht die Straße auf du ab.
...Erst denke ich es gut erwischt zu haben, hinten imPeugeot 404 familiale. Dann wird es eng. Am schlimmsten haben es die Mitfahrer auf der Mittelbank. Dort sitzen zwei Reihen aufeinander; andere Passagiere stehen vor ihnen mit den Oberkörpern über den Vordersitzen. Fünfzehn Erwachsene und drei Kinder. Es sind 150 Kilometer von Mbarara nach Kasese.
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