Ins Val d'Iragna (Teil 1)
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Von Erstfeld fuhr ich mit dem ersten Zug am Morgen nach Biasca.
In Biasca sah ich auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof
eines der roten Mietautos von Mobility Carsharing,
wo ich Mitglied bin.
Weil ich sowieso nicht allzu fit war an diesem Tag,
telefonierte ich der Mobility-Zentrale
und hatte sofort eine Frau am Telefon,
die mich fragte, was los sei, so früh am Morgen.
(Es war aber schon 09h00 Uhr ;-)
Ich fragte sie, ob das Auto vor dem Bahnhof in Biasca
frei sei, sie sagte, ja, es sei frei und ob ich sonst noch
eine Frage hätte.
Ich antwortete, ja, aber nur eine kurze, nämlich,
ob ich das Auto haben könne, und zwar bis am Abend.
Die Mobility-Frau antwortete, ich könne das Auto haben,
aber ich solle aufpassen wegen den Kratzern,
im Val d'Iragna gehe es nämlich wild zu und her.
Ich hatte ihr aber nichts vom Val d'Iragna erzählt,
und darum fragte ich sie, woher sie wissen wolle,
dass ich die Absicht hätte, ins Val d'Iragna zu gehen.
Sie antwortete, eigentlich sei sie Gedankenleserin,
und sie arbeite nur deshalb bei Mobility Carsharing,
weil sie zur Zeit nicht viel verdiene mit Gedankenlesen,
weil sie dummerweise ein paarmal die Gedanken
von ein paar Kunden falsch gelesen habe,
und darum seien die Kunden zu einer anderen
Gedankenleserin gegangen, und bei ihr hätten
sich nur noch Leute gemeldet,
die nicht viel Geld hatten und
darum um das Honorar gefeilscht hätten.
Statt 200 Franken pro Stunde hätte sie
dann für 50 Franken pro Stunde Gedanken gelesen,
aber bei nur zwei Kunden pro Woche habe das
nicht gereicht, um über die Runden zu kommen.
Und sowieso, sagte sie noch, meine Gedanken
seien derart simpel und einfach,
dass sie schon an meiner Stimme gemerkt habe,
dass ich ins Val d'Iragna gehen wolle.
Ich sagte ihr dann, das sei sehr interessant,
was sie mir da erzähle, und ob ich eventuell
das Gedankenlesen auch lernen könne.
Sie antwortete, nein, das sei unmöglich,
das höre sie an meiner Stimme und
an meiner Ausdrucksweise.
Um Gedanken lesen zu können,
müsse man ein gewisses Niveau haben.
Dass die Frau behauptete,
ich hätte zuwenig Niveau,
das hat mich schon ein bisschen genervt.
Aber zurück zum Thema:
Ich fragte sie dann noch, einfach so,
wie sie heisse und woher sie komme,
und ob sie verheiratet sei und eventuell
sogar Kinder hätte,
und sie antwortete, sie heisse
Irene Irana und wohne in Iragna,
und sie habe 9 Kinder,
aber zum Glück habe sie einen guten Mann,
der ebenfalls Gedanken lesen könne,
zwar nicht so gut wie sie, aber immerhin.
Der Einfachheit halber hätten sie ihre Kinder
nach dem ABC genannt, nämlich
Alma, Bea, Clea, Dea, Emma, Fabio,
Geronimo, Halma, Irma und Jolanda.
Das nächste Kind würden sie aber
Thelma nennen, wegen der Louise.
Aber ich solle nicht etwa bei ihr vorbeikommen,
sie sei sowieso nicht zu Hause,
sie sei im Büro von Mobility Carsharing,
und an meinen Gedanken sei sie sowieso
nicht interessiert, weil ich ja sowieso
immer nur ans Wandern denken würde.
Und sowieso, in ihrer Situation, mit 9 Kindern,
sei sie nur an Männern interessiert,
die Geld hätten,
und nicht an dubiosen Wandervögeln,
die nicht einmal richtig Italienisch könnten.
Um das Gespräch in eine andere Richtung
zu lenken, sagte ich ihr, dass ich mit dem Auto
nach Iragna, genauer nach Rodaglio und dann
nach Pön di Sopra hinauffahren wolle.
Da wollte sie wissen, wieso ich dazu überhaupt
ein Mobility-Auto brauche, ich könne ja
mit dem Postauto nach Iragna fahren,
dort aussteigen und zu Fuss nach
Pön di Sopra hinaufsteigen.
Der Sohn von einem Kollegen
einer Kollegin ihres Mannes
hätte das vor Jahren auch so gemacht.
Ich antwortete ihr, das sei zwar
ein super Vorschlag, aber ich sei
ausgerechnet heute nicht so fit,
hätte schlecht geschlafen und darum
solle sie mir jetzt bitte dieses schöne,
rote Mobility-Auto, vor dem ich stehen würde,
für den ganzen Tag reservieren.
Sie empfahl mir dann noch
Baldriantee gegen schlechtes Schlafen,
und tatsächlich, ich hatte schon nicht
mehr daran geglaubt, sie reservierte mir
- widerwillig, aber immerhin - das Auto,
es war ein Renault Mégane,
und öffnete per Funk die Türen.
Ich fuhr dann im Mobility-Auto bis Iragna,
genauer bis Rodaglio, und dann
hinauf bis Pön di Sopra.
In Pön di Sopra liess ich das Auto stehen
und und machte mich daran,
zur Alpe Càuri und dann weiter hinauf
zur Alpe Motarina hinaufzusteigen.
Unterwegs kam mir ein Jäger entgegen,
er hatte ein erlegtes Tier um den Hals gelegt
(und über die Schultern geschultert).
Ich schritt einen Schritt (oder zwei Schritte)
zur Seite, um ihn vorbeizulassen.
Wir begrüssten uns, er sagte Bon Dì,
ich Salve, und das war's.
Auf der Alpe Motarina kam ich
an einer schönen Hütte vorbei
und zu meinem Erstaunen
kam ein Mann aus der Tür,
kam über den Hof, lehnte sich
an den Hag und begrüsste mich.
Das kam mir gelegen,
weil ich sowieso ausser Atem war
(auf Englisch: à bout du souffle)
und darum sowieso eine Pause
einlegen wollte.
Ich erzählte ihm von dem Jägersmann,
dem ich begegnet war.
Er war, wieder zu meinem Erstaunen,
sehr interessiert an dieser Begegnung
und fragte mich, wie der Mann
ausgesehen habe:
Körperform, Körperhaltung, Körpergrösse, Körperbreite,
Ohrenbreite, Hüftbreite, Hüfthöhe, Stirnhöhe, Mundhöhle,
Alter, Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe, Hutfarbe,
Hutfeder, Nasenform, dicke oder schmale Lippen, Tattoos,
Blutgruppe, Augenbrauen, Stirnrunzeln, langer oder kurzer Hals,
Rucksackfarbe, Sockenfarbe, Gurtfarbe, Gurtschnalle,
Zahnstellung, Zahnlücke, Zahnpflege, Zahnspange,
Ohrenringe, Augenringe, Sprache, Aussprache, Einsprache,
Absprache, Charakter (Melancholiker, Sanguiniker, Choleriker
oder Phlegmatiker), Sternzeichen mit Aszendent, Uhrenmarke,
Schuhmarke, Schuhgrösse, was für ein Jagdgewehr,
was für ein Zielfernrohr, was für einen Schalldämpfer
und was für ein Tier?
Ich konnte selbstverständlich alle seine Fragen
bis ins letzte Detail beantworten, und am Schluss
sagte er: "Ecco, è lui." (auf Französisch: "Bingo, das ist er.")
Er sagte dann noch, er finde es super,
dass ich einen knallroten Rucksack hätte,
es habe nämlich hier in der Gegend
viele junge und darum relativ unerfahrene Jäger,
die noch nicht so gut zwischen wilden Wanderern
und wilden Tieren unterscheiden könnten.
Damit hatten wir das Wichtigste an diesem schönen Tag
für den Moment geklärt und wir verabschiedeten uns.
Dann ging ich weiter in Richtung der Alpe Legrina.
(Fortsetzung folgt...)
In Biasca sah ich auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof
eines der roten Mietautos von Mobility Carsharing,
wo ich Mitglied bin.
Weil ich sowieso nicht allzu fit war an diesem Tag,
telefonierte ich der Mobility-Zentrale
und hatte sofort eine Frau am Telefon,
die mich fragte, was los sei, so früh am Morgen.
(Es war aber schon 09h00 Uhr ;-)
Ich fragte sie, ob das Auto vor dem Bahnhof in Biasca
frei sei, sie sagte, ja, es sei frei und ob ich sonst noch
eine Frage hätte.
Ich antwortete, ja, aber nur eine kurze, nämlich,
ob ich das Auto haben könne, und zwar bis am Abend.
Die Mobility-Frau antwortete, ich könne das Auto haben,
aber ich solle aufpassen wegen den Kratzern,
im Val d'Iragna gehe es nämlich wild zu und her.
Ich hatte ihr aber nichts vom Val d'Iragna erzählt,
und darum fragte ich sie, woher sie wissen wolle,
dass ich die Absicht hätte, ins Val d'Iragna zu gehen.
Sie antwortete, eigentlich sei sie Gedankenleserin,
und sie arbeite nur deshalb bei Mobility Carsharing,
weil sie zur Zeit nicht viel verdiene mit Gedankenlesen,
weil sie dummerweise ein paarmal die Gedanken
von ein paar Kunden falsch gelesen habe,
und darum seien die Kunden zu einer anderen
Gedankenleserin gegangen, und bei ihr hätten
sich nur noch Leute gemeldet,
die nicht viel Geld hatten und
darum um das Honorar gefeilscht hätten.
Statt 200 Franken pro Stunde hätte sie
dann für 50 Franken pro Stunde Gedanken gelesen,
aber bei nur zwei Kunden pro Woche habe das
nicht gereicht, um über die Runden zu kommen.
Und sowieso, sagte sie noch, meine Gedanken
seien derart simpel und einfach,
dass sie schon an meiner Stimme gemerkt habe,
dass ich ins Val d'Iragna gehen wolle.
Ich sagte ihr dann, das sei sehr interessant,
was sie mir da erzähle, und ob ich eventuell
das Gedankenlesen auch lernen könne.
Sie antwortete, nein, das sei unmöglich,
das höre sie an meiner Stimme und
an meiner Ausdrucksweise.
Um Gedanken lesen zu können,
müsse man ein gewisses Niveau haben.
Dass die Frau behauptete,
ich hätte zuwenig Niveau,
das hat mich schon ein bisschen genervt.
Aber zurück zum Thema:
Ich fragte sie dann noch, einfach so,
wie sie heisse und woher sie komme,
und ob sie verheiratet sei und eventuell
sogar Kinder hätte,
und sie antwortete, sie heisse
Irene Irana und wohne in Iragna,
und sie habe 9 Kinder,
aber zum Glück habe sie einen guten Mann,
der ebenfalls Gedanken lesen könne,
zwar nicht so gut wie sie, aber immerhin.
Der Einfachheit halber hätten sie ihre Kinder
nach dem ABC genannt, nämlich
Alma, Bea, Clea, Dea, Emma, Fabio,
Geronimo, Halma, Irma und Jolanda.
Das nächste Kind würden sie aber
Thelma nennen, wegen der Louise.
Aber ich solle nicht etwa bei ihr vorbeikommen,
sie sei sowieso nicht zu Hause,
sie sei im Büro von Mobility Carsharing,
und an meinen Gedanken sei sie sowieso
nicht interessiert, weil ich ja sowieso
immer nur ans Wandern denken würde.
Und sowieso, in ihrer Situation, mit 9 Kindern,
sei sie nur an Männern interessiert,
die Geld hätten,
und nicht an dubiosen Wandervögeln,
die nicht einmal richtig Italienisch könnten.
Um das Gespräch in eine andere Richtung
zu lenken, sagte ich ihr, dass ich mit dem Auto
nach Iragna, genauer nach Rodaglio und dann
nach Pön di Sopra hinauffahren wolle.
Da wollte sie wissen, wieso ich dazu überhaupt
ein Mobility-Auto brauche, ich könne ja
mit dem Postauto nach Iragna fahren,
dort aussteigen und zu Fuss nach
Pön di Sopra hinaufsteigen.
Der Sohn von einem Kollegen
einer Kollegin ihres Mannes
hätte das vor Jahren auch so gemacht.
Ich antwortete ihr, das sei zwar
ein super Vorschlag, aber ich sei
ausgerechnet heute nicht so fit,
hätte schlecht geschlafen und darum
solle sie mir jetzt bitte dieses schöne,
rote Mobility-Auto, vor dem ich stehen würde,
für den ganzen Tag reservieren.
Sie empfahl mir dann noch
Baldriantee gegen schlechtes Schlafen,
und tatsächlich, ich hatte schon nicht
mehr daran geglaubt, sie reservierte mir
- widerwillig, aber immerhin - das Auto,
es war ein Renault Mégane,
und öffnete per Funk die Türen.
Ich fuhr dann im Mobility-Auto bis Iragna,
genauer bis Rodaglio, und dann
hinauf bis Pön di Sopra.
In Pön di Sopra liess ich das Auto stehen
und und machte mich daran,
zur Alpe Càuri und dann weiter hinauf
zur Alpe Motarina hinaufzusteigen.
Unterwegs kam mir ein Jäger entgegen,
er hatte ein erlegtes Tier um den Hals gelegt
(und über die Schultern geschultert).
Ich schritt einen Schritt (oder zwei Schritte)
zur Seite, um ihn vorbeizulassen.
Wir begrüssten uns, er sagte Bon Dì,
ich Salve, und das war's.
Auf der Alpe Motarina kam ich
an einer schönen Hütte vorbei
und zu meinem Erstaunen
kam ein Mann aus der Tür,
kam über den Hof, lehnte sich
an den Hag und begrüsste mich.
Das kam mir gelegen,
weil ich sowieso ausser Atem war
(auf Englisch: à bout du souffle)
und darum sowieso eine Pause
einlegen wollte.
Ich erzählte ihm von dem Jägersmann,
dem ich begegnet war.
Er war, wieder zu meinem Erstaunen,
sehr interessiert an dieser Begegnung
und fragte mich, wie der Mann
ausgesehen habe:
Körperform, Körperhaltung, Körpergrösse, Körperbreite,
Ohrenbreite, Hüftbreite, Hüfthöhe, Stirnhöhe, Mundhöhle,
Alter, Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe, Hutfarbe,
Hutfeder, Nasenform, dicke oder schmale Lippen, Tattoos,
Blutgruppe, Augenbrauen, Stirnrunzeln, langer oder kurzer Hals,
Rucksackfarbe, Sockenfarbe, Gurtfarbe, Gurtschnalle,
Zahnstellung, Zahnlücke, Zahnpflege, Zahnspange,
Ohrenringe, Augenringe, Sprache, Aussprache, Einsprache,
Absprache, Charakter (Melancholiker, Sanguiniker, Choleriker
oder Phlegmatiker), Sternzeichen mit Aszendent, Uhrenmarke,
Schuhmarke, Schuhgrösse, was für ein Jagdgewehr,
was für ein Zielfernrohr, was für einen Schalldämpfer
und was für ein Tier?
Ich konnte selbstverständlich alle seine Fragen
bis ins letzte Detail beantworten, und am Schluss
sagte er: "Ecco, è lui." (auf Französisch: "Bingo, das ist er.")
Er sagte dann noch, er finde es super,
dass ich einen knallroten Rucksack hätte,
es habe nämlich hier in der Gegend
viele junge und darum relativ unerfahrene Jäger,
die noch nicht so gut zwischen wilden Wanderern
und wilden Tieren unterscheiden könnten.
Damit hatten wir das Wichtigste an diesem schönen Tag
für den Moment geklärt und wir verabschiedeten uns.
Dann ging ich weiter in Richtung der Alpe Legrina.
(Fortsetzung folgt...)
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