Von Galgenul nach Tschagguns - Verwaiste Höhenwege zwischen Innergweil und Hora
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Wer keine Mühen scheut und sich auf Entdeckungstour durch den im nordöstlichen Rätikon gelegenen Sarotla-Gweil-Kamm begibt, der wird auf seinen Streifzügen nicht nur in den Genuss von Einsamkeit und herausragender Ausblicke kommen, sondern fernab überlaufener Wege auch so manch unscheinbares Bergziel in herrlich unberührter Landschaft vorfinden. Das bereits aus Silvretta-Gneis aufgebaute Hora ist so ein „Dornröschenberg“ das im Spätherbst mit seiner Heidelandschaft den Naturfreund zu beglücken weiß. An der Nahtstelle zwischen der Außer- und Innerfratte gelegen, lässt sich das Hora von Innergweil in einer eindrucksvollen Höhenwanderung recht einfach auf bescheidenen Wegen erreichen.
Der Zustieg von Galgenul nach Innergweil hat's dann aber in sich, insbesonders der Steilaufstieg zum Gweilmaisäß: Eine solch steile und an Direktheit kaum mehr zu übertreffende Wegführung ist mir noch selten untergekommen. Die Bauern, die die abgelegenen Höfe des Gweilmaisäßes einst bewirtschafteten und diese alten Wege anlegten, können sich meiner Hochachtung sicher sein. Für die Mühsal, die sie auf sich genommen haben sind sie nicht zu beneiden. Neuerdings wurden für die bessere Erschließung des Gweilmaisäßes zig Festmeter an Holz für eine „Güterweg-Autobahn“ geschlägert. Zurück geblieben ist eine nicht zu übersehende Schandtat von größenwahnsinnigen Ingenieuren und Grundstücksbesitzern. Zum Glück sind es nur kurze Abschnitte auf denen man mit diesem Güterweg-Monster in Berührung kommt. Ganz ungeschoren ist der alte Alpweg aber nicht davon gekommen, ist dieser doch nun in Teilbereichen entweder von Aushubmaterial verschüttet, durch Bauwerke verlegt oder durch die Bauarbeiten gänzlich unkenntlich gemacht.
Wenn Ausgangs- und Endpunkt einer Wanderung nicht ident sind, empfiehlt sich erfahrungsgemäß die Benützung von „Öffis“. Wer sich im Spätherbst auf den Weg macht, sollte sich aber vergewissern, ob die benötigten Buslinien auch verkehren, sonst steht er – wie mir dieses mal passiert – am Bahnhof in Schruns und darf, so keine alternative Buslinie vorhanden ist, sich Gedanken darüber machen, wie man frühmorgens im Montafon an ein Taxi kommt. Eine Logistikaufgabe, die man im Montafon nicht auf die einfache Schulter nehmen sollte.
Da die benötigte Buslinie 87 nach Gargellen nicht mehr verkehrte und der Organisation eines Taxis kein Erfolg beschieden war, blieb mir nichts anderes übrig als zuzuwarten, um mit der Buslinie 85 zur Talstation der Valiserabahn zu gelangen. Von dort spaziert man entlang der L192 talaus und hält sich nach der (im November nicht bedienten) Bushaltestelle bei Galgenul links und kürzt über den Gweilweg eine Schleife der L192 ab. Diese querend findet der Aufstieg seine Fortsetzung im Eggaweg. Auf diesem hoch zu einer Kreuzung und einen alten Feldweg benützend an den Gweilbach heran. Entlang des Bachs bergauf, führt ein Ziehweg schließlich nach rechts hinaus zur Weidelichtung beim „Föppili“.
An einer Hütte vorbei führt der Weg nun flach hinein in einen Bachgraben. Durch diesen steil aufsteigend, erreicht man sonach den neu errichteten Gweil-Güterweg. Mit diesem für ein paar Minuten vorlieb nehmend hinauf zu einem Holzlagerplatz, findet sich hinter Baumstämmen versteckt, die Wegfortsetzung des alten Alpwegs. Über einen bewaldeten Bergrücken stetig empor, lädt bei einem „Marterl“ ein „Bankerl“ zu einer Verschnaufpause ein. Danach weiterhin anstrengend bergan, eine Lichtung mit Jagdhütte querend, werden die Höhenmeter peu à peu abgearbeitet. Ein Weidezaun nährt erste Hoffnungen auf ein baldiges Ende des Steilaufstiegs. Über eine weitere Lichtung ein letztes Mal in den Wald hinein, richtet man sein Auge schon sehnsuchstvoll himmelwärts und hält Ausschau nach den wettergebräunten Hütten des Gweil-Maisäßes. Dann endlich breiten sich die Weiden des Gweil-Maisäßes vor einem aus. Überragt vom markanten Rütihorn, gilt es beim Anstieg über die Wiese noch einmal seine Kräfte einzuteilen, bevor man sich dem verdienten „Z'Nüne“ widmen kann.
Mit dem Wissen, den längsten und steilsten Anstieg des Tages bereits hinter sich zu haben, bricht man vom Gweil-Maisäß frohen Mutes zur Innergweilalpe auf. Den Markierungen über die Hänge hinauf zu einem kleinen Boden folgend, leitet eine Wiesenspur hinüber zu einem Geländerücken. Über diesen aufwärts und bei einer Mulde nach SW-abdrehend, steht nun eine längere Traverse an. Auf gutem Steig durch die bewaldetete Steilflanke der Gweilspitze, hat man alsbald wieder offenes Gelände erreicht. Über die Steilwiesen hinweg, trifft man an deren Ende auf einen deutlich ausgeprägten Alpweg. Dieser führt nun bequem durch den Borstbodnerwald hinauf zur Alpsiedlung von Innergweil.
Ab Innergweil wartet nun der Wegabschnitt für den man sich die ganzen Mühen auf sich nimmt: Der wenig begangene Höhenweg zur Horaalpe. Die Ausblicke in die Bergwelt der Innerfratte laden zum Schwärmen ein und sind neben der abwechslungsreichen Wegführung Garant für eine kurzweilige Höhenwanderung. Der Übergang zur Horaalpe ist bei der Innergweilalpe mit 1½ Stunden angegeben. Bei guten Bedingungen machbar, im Spätherbst, wenn in den nordseitigen Passagen der Wanderweg unter einer Schneedecke verborgen ist, sollte man eine halbe Stunde mehr veranschlagen.
Von der Innergweilalpe führt zunächst noch ein breiter Alpweg in die Südhänge der Gweilspitze. Mit der Bequemlichkeit ist dann aber bald einmal Schluss. Sich zu einem bescheidenen, meist nur fußbreiten Steig verjüngend wartet nun eine bei Nässe durchaus heikle Traverse. Durch eine abschüssige Steilgrasflanke führend, ist vor allem bei der Querung einer Strauchzone die volle Aufmerksamkeit gefordert. Ist man aus den Grünerlen heraus, steuert man geradewegs über die Steilhänge die Ostschulter der Gweilspitze an. Am Kulminationspunkt angelangt ist eine verfallene Heubarge der ideale Rastplatz um die Stille und Weite auf sich einwirken zu lassen.
Der Abstieg von der Ostschulter zur Außergweilalpe erfolgt normalerweise auf einem gut erkennbaren Weg. Ostseitig um die Gweilspitze herum wendet sich der Steig bei einer Grünerlenzone dem Alptal von Außergweil zu. Da nordseitig ausgerichtet, muss man bei dem nun folgenden Abschnitt damit rechnen Schnee anzutreffen, der den Abstieg zur Außergweilalpe verzögert. Eine Schneise erleichtert dabei die Orientierung. Solange man sich an diese hält, lässt sich auch bei Schnee der richtige Weg nicht verfehlen.
An einer alten Steinmauer vorbei und zwischen den Wirtschaftsgebäuden der Außergweilalpe hindurch führt ein Steig durch die Hänge hinüber zum Ostrücken des Motadenser Kopfs. Zunächst noch für ein kurzes Stück im Wald, später zwischen Heidelbeeren und Alpenrosen über den Rücken hoch bis zu einem Weidezaun, wechselt der Steig in die schattige Nordseite des Motadenser Kopfs. Angesichts der zahlreichen vom Weidevieh geschaffenen Treien, ist die Wegfindung im Sommer gewiss ein wenig leichter als bei Schnee. Nach einem geringen Höhenverlust, sollte man sich von vermeintlich deutlich ausgeprägteren Wegspuren nicht dazu verleiten lassen, unterhalb eines Felsabsatzes die Wegfortsetzung zu suchen. Richtig liegt man, wenn man sich von dem Felsabsatz fernhält und die Höhe haltend die Weidehänge traversiert. Die Häufung von markierten Pfählen kurz vor Erreichen eines markanten Grabens geben einem schließlich wieder die Gewissheit, dass man den richtigen Pfad unter seinen Füßen hat.
Über den Graben hinweg, gilt es wieder Höhenmeter zu machen. Zu Beginn noch entlang von Felsen, zieht der Steig im Anschluss über offene Flächen hinaus zu einem Bergrücken. Über diesen weiter aufwärts, legt sich das Gelände allmählich zurück und man gewinnt einen ersten Überblick über das Umfeld der Horaalpe. Durch eine Mulde, und um eine weitere Geländekuppe herum, verlässt man bei ein paar kleinen Tümpeln den markierten Wanderweg und steigt – sich NNW haltend – durch das kupierte Gelände zur Schulter des Horas auf. Am Plateau angelangt, hält man schließlich auf eine unscheinbare von einem Steinmann bewachte Kuppe zu.
Für den Abstieg vom Hora zur Horaalpe geht’s über das Plateau wieder zurück, um dann direkt über die alpenrosengeschmückte Bergheide abzusteigen. Solange man sich östlich und von den Latschen fernhält, lassen sich die Hütten eigentlich nicht verfehlen. Ab der Horaalpe findet man dann wieder einen markierten Weg vor. Zu Beginn noch über die schöne Bergheide wandernd, neigt sich der Pfad nach einem Bergrücken endgültig dem Tal zu und führt durch eine Strauchzone und lichten Wald hinunter zur verfallenen Mittleren Horaalpe.
Bei der Mittleren Horaalpe auf einen Forstweg wechselnd, geht’s nun in zahlreichen Kehren durch den Horawald bergab zu einer Lichtung. Dort macht schließlich ein Wegweiser auf einen Pfad zum Horamaisäß aufmerksam. Wieder im Wald verschwindend hat man bereits wenig später die Wiesen des Inneren Hora-Maisäßes erreicht. Dort trifft man bei der untersten Hütte auf einen alten Ziehweg, dem man hinaus zum Äußeren Hora-Maisäß folgt. Sich rechts haltend, geht’s nun wieder auf einem Fahrweg via Mansaura hinunter zur Kapelle bei Bitschweil. An dieser vorbei auf dem Anliegersträßchen vor zum Staubecken Gampadels, wartet zum Schluss mit dem langen „Hatsch“ hinunter nach Tschagguns noch der einzige „Wermutstropfen“: Auf der schmalen Bergstraße in zahlreichen Kehren talwärts bis zum Ganzanalbach und entlang der Straße ins Ortszentrum von Tschagguns. Dort vor zur L188 und hinüber zur Bahnhaltestelle von Tschagguns.
Gehzeiten:
Galgenul – Gweilmaisäß (ca. 1' 00'') – Innergweilalpe (ca. 50'') – Außergweilalpe (ca. 55'') – Hora (ca. 1' 00'') – Horaalpe (ca. 10'') – Horamaisäß (ca. 1' 00'') – Mansaura – Bitschweil, See (ca. 30'') – Tschagguns, Bahnhof (ca. 55'')
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