Dolomitendurchquerung
Nennen wir diese Tour die Tannenhäherroute. Es gab in all der Zeit nur einen einzigen Tag, an dem wir nicht morgens mit dem tschirpenden Ruf des Tannenhähers aufgewacht und abends auch wieder mit diesem Ruf eingeschlafen sind. Dieser schlaue Vogel scheint in den Dolomiten sehr zahlreich zu sein, und er hat uns jeden Tag treu begleitet.
Mehrere Etappen haben anspruchsvolle Abschnitte, die Wege sind oft sehr schotterig, sehr steil, stellenweise mit Fixseilen und Klammern ausgestattet, manchmal aber auch nicht, dann braucht man die Hände – das erfordert eine Einordnung als T4.
Überblick
Die Route beginnt in St.Zyprian bei Bozen und endet in Toblach. Das gibt quasi eine diagonale Durchquerung des Dolomitengebietes von Südwesten nach Nordosten. Unterwegs macht der Weg ein paar ausgeprägte Kurven, um in das Puez-Gebiet zu kommen und im Osten die Drei Zinnen mitzunehmen. Die Route enthält ein paar einfache Klettersteige, setzt aber kein echtes, vertikales Klettern voraus. Nicht berücksichtigt werden leider die Brenta-Dolomiten und das Marmolada-Gebiet.
Die Etappen
(Die Längenangaben sind mit zwei GPS-Uhren, die Höhenmeter barometrisch gemessen.)
Länge: 8.53km (ohne Petz-Gipfel), auf: 1229m, ab: 12m, T3
Bozen breitet sich unten in der Ebene aus. Bis zum Fuß der Dolomiten ist es noch ein ganzes Stück. Der Bus nach St.Zyprian (ein Ortsteil von Tiers) fährt immerhin 40min (und es ist besser, man sagt dem Fahrer schon beim Einsteigen, wo man aussteigen will ...)
Wir schlafen die erste Nacht im Berghotel Pine, das oberhalb von St.Zyprian am Waldrand liegt. Direkt hinter dem Hotel beginnt der Weg Nr.2 in die Bärenfalle und damit unser Abenteuer.
Die Bärenfalle ist eine Schlucht, oder besser gesagt ein Einschnitt, in dem ein steiler Weg immerhin rund 800m in die Höhe führt. Dieser ist allerdings gut machbar. Im oberen Teil gibt es ein paar hölzerne Leitern und ganz in deren Nähe steht ein erstes Edelweiß. Oben angekommen hat man schon fast die Baumgrenze erreicht, die in den Dolomiten (anders als in den Alpen) meist auf über 2000m liegt. Wir gehen den Weg Nr.2 weiter nach Osten und gelangen in ein weites Tal mit vielen Murmeltieren. Am Ende wendet sich der Weg nach Nordwesten und steigt wieder, es geht hinauf zum Schlernhaus, das auch bald sichtbar wird.
Diese erste Etappe ist nicht so lang und anstrengend, daß am Nachmittag nicht noch der Petz-Gipfel (2457m) drinläge. Das ist vom Schlernhaus ein Spaziergang, das Gepäck kann man dort lassen. Oben am Südhang des Petz findet man weitere (einige zig) Edelweiße und man kann sich einen Überblick über die interessante Form des Schlerns machen.
Das Schlernhaus ist eine Traditionseinrichtung des italienischen Alpenclubs CAI. Von 12 bis 16 Uhr ist wie auf allen italienischen Hütten sehr viel Publikum (Tagesgäste), man kann in dieser Zeit auch nicht sein Zimmer (oder die Schlafplätze) übernehmen, das Servicepersonal hat dann keine Zeit für so etwas. Später am Nachmittag wird es wesentlich ruhiger. Wir haben im Nebenhaus ein kleines Zweierzimmer, das sehr ordentlich ist. Das Essen ist gut, wir fühlen uns im Schlernhaus sehr wohl.
Länge: 14km, auf: 818m, ab: 695m, T3
Es ist ein schöner Tag, blauer Himmel, die vielen Tiere rund um das Schlernhaus sind schon am Grasen. Wir verlassen das Schlernhaus auf dem Weg Nr.4 nach Osten, der über die karstige Schlern-Hochfläche führt. Immer wieder mal begegnet uns ein Murmeltier.
Wir nehmen an diesem Tag den Roterdspitz (2655m) und zwar von Westen her, das ist sehr einfach. Die Rück(also Ost-)seite, die wir für den Abstieg probiert haben, führt wenige Meter unterhalb des Gipfels in Klettereien, die mit den schweren Rücksäcken kompliziert werden. Wir verzichten darauf und umrunden den Gipfel nördlich ohne Weg, bis wir wieder auf unseren Ursprungsweg treffen. Der Weg Nr.4 führt dann südlich den Gipfels ein ganzes Stück hinab und wieder hinauf zum Tierser Alpl (2440m), wo eine gute Gelegenheit für die Mittagspause besteht.
Nach dem Mittag steigen wir auf dem Weg Nr.3A nach Süden auf, wobei es zunächst an einem Fixseil über einen Karst-Rücken geht. Dies ist allerdings sehr einfach, man muß es nicht einmal nehmen. Man gelangt auf den Molignonpass (2598m), von dem aus man den Kessel, der am östlichen Ende des Grasleitentals liegt, und den darin verlaufenden Weg gut überblicken kann. Einige Ziegen begrüßen uns freundlich.
Wir müssen nun allerdings, und das ist die eigentliche Herausforderung des Tages, tief in diesen Kessel hinab und drüben wieder steil hinauf. Immerhin wartet unten das einzige fließende und trinkbare Wasser des Tages. Am oberen Ende des langen Aufstiegs liegt die Grasleitenpasshütte, die am Nachmittag bereits wieder das typische Volk hat. Nach 16:00 ist es ganz still.
Die Grasleitenpasshütte (2600m) ist eine Privathütte. Sie ist klein und eng und in den Schlafräumen kann sich eine beträchtliche Hitze entwickeln. Der Engpaß auf dieser Hütte sind die sanitären Anlagen, es bilden sich Schlangen und man wartet durchaus lang.
Achtung: die Grasleitenpasshütte ist nicht zu verwechseln mit der Grasleitenhütte, erstere liegt auf einem Pass weit oberhalb von letzterer, die sich darunter im Tal befindet.
Länge: 17.2km, auf: 822m, ab: 1127m, T3
Wir gehören zu den ersten, die an diesem Tag die Hütte verlassen. Wir machen deshalb den Aufstieg zum Pas de Antermoia im kühlen Schatten und in aller Stille. Wildschafe begegnen uns, wir hatten sie gestern schon kurz gesehen.
Auf dem Pas de Antermoia (2770m) beginnt eine echte Mondlandschaft. Der obere Abschnitt des Antermoia-Tals ist offenbar so trocken, daß dort absolut gar nichts wächst. Das Gestein und seine Schichtung sind sehr eindrücklich. Der Weg hört dann auf zu fallen und verläuft horizontal. Dort gesellt sich auch ein Bach dazu, an dem wir unsere Flaschen füllen. (Wir hatten auf der Grasleitenpasshütte darauf verzichtet.) Bald gelangen wir an den Lago d'Antermoia, und ehrlich, wer in diesen See nicht hineinspringt, ist selbst schuld, ein schöneres Wasser wird man lange (!) nicht finden. Es kann allerdings nur ein sehr kurzes Vergnügen sein, die Temperatur liegt wahrscheinlich unter 10°C. Östlich des Sees liegt die Hütte, also das Rifugio Antermoia, das einen sehr ordentlichen Eindruck macht.
Wir halten uns aber dort nicht sehr lange auf dem Weg Nr.580, später dann 578 weiter nach Nordosten. Der 578 fällt steil und etwas holprig bis man den Grund des Val Duron erreicht hat. An der Malga Micheluzzi, wo man sich für uns nicht interessiert hat, biegen wir auf dem Weg Nr.533 nach Norden. Dieser steigt eine Weile, allerdings moderat, und gelangt dann auf eine schöne Hochfläche.
Oben dann gelangt man auf die Plattkofelalm, wo wir den im Tal versäumten Apfelstrudel nachholen. Außerdem ermutigt man uns, die dort zur freien Verkostung aufgestellten Likeure (!) zu probieren. (Dieser Stopp hat etwas länger gedauert ...)
Wir machen auf dem Höhenweg (4 und 557) noch den Abstecher nach Westen, um uns in der Plattkofelhütte einen Stempel zu holen, kehren dann aber endgültig nach Osten (Friedrich-August-Weg). Dieser Abschnitt ist sehr voll. Die Leute kommen mit der Seilbahn zum Col Rodella und laufen dann horizontal. Man trifft auf diesem Weg alles Mögliche, auch Kinderwagen u.ä. Man muß viel ausweichen und an Engstellen auf Gegenverkehr warten und es ist ein bißchen mühsam, zumal es sich dann bis zum Rifugio Friedrich August noch zieht ...
Das Rifugio Friedrich August (2298m) ist eine Privathütte. Sie ist nach Friedrich August III., dem letzten sächsischen König (bis 1918), benannt. Sie besteht aus einem Gasthof mit einem separaten, kleinen Bettenhaus. Wir haben ein feines, sauberes Zweierzimmer mit einem Fenster, das nach Westen ins Tal hinab geht. Wir können fast unseren ganzen bisherigen Weg überblicken. (Es gibt allerdings auch fensterlose (!) Zimmer, in denen man nicht einmal aufrecht stehen kann.) Gute Sanitäreinrichtungen.
Länge: 18km, auf: 1422m, ab: 1190m, T4
Dies wird eine sehr lange Etappe. Wir gehen unter blauem Himmel vom Rifugio Friedrich August hinüber zum Sellajoch, das ist ein Spaziergang. Dort allerdings beginnt ein Abschnitt, auf dem der offizielle Wanderweg Nr.656, der zugleich der Dolomiten-Höhenweg Nr.9 ist, auf der viel befahrenen Paßstraße verläuft. Und "auf der Straße" heißt auch auf der Straße, etwa 2km lang.
In der Kurve Nr.5, die bereits etwa 200 Höhenmeter unterhalb des Sellajochs liegt, biegt der Wanderweg von der Straße ab. Froh, wer diesen Punkt erreicht hat. Hinter diesem Abzweig fällt der Weg steil und zwar noch bis auf unter 2000m. Das bedeutet, daß wir nun einen Aufstieg von mehr als 1100m vor uns haben. Und der beginnt sofort, zunächst noch im Wald, entlang eines sehr schönen Baches, dann über eine noch mit Gras bewachsene Hochebene, später dann durch steinige, vegetationslose Felsen.
Eigentlich war geplant, den Weg durch das Valon de Fos zum Rifugio Forc.Pordoi zu nehmen. Diesen Weg haben wir allerdings vepaßt. Uns ist kein Abzweig aufgefallen. Wir sind stattdessen auf dem Weg Nr.647 weiter nach Nordosten gegangen bis wir endlich überrascht feststellten, daß wir uns bereits ganz in der Nähe von L'Antersass befanden. (Es kommt dort sehr lange kein einziges Schild, man läuft und läuft und läuft ...)
Um zum Rifugio Boe zu gelangen, überschreitet man den Gipfel L'Antersass (2907m) von Nord nach Süd. Auf dem Sattel dahinter liegt das Rifugio Boe (2873m). (Der Weg westlich am Gipfel vorbei (Coburger Weg, 647A) ist mit Schildern versehen, die einen Klettersteig kennzeichnen.) Das Rifugio ist über Mittag sehr lebhaft. Außerdem finden momentan noch Bauarbeiten statt, weswegen alle fünf Minuten ein Hubschrauber angeflogen kommt, der Teile hinaufbringt. Bißchen unruhig.
Wir gehen auf den Gipfel. Dies ist um die Mittagszeit eine ziemlich zahlreiche Angelegenheit. Es bilden sich deshalb im unteren Abschnitt, wo sich ein paar hölzerne Leitern befinden, ärgerliche Staus. Viele Italiener, die in Laufschuhen einen Dreitausender machen, haben im Abstieg erhebliche Probleme und können sich kaum auf den Beinen halten. Es gibt drum an einigen Stellen auch Palaver. Man hat jetzt, um diese Stellen zu entschärfen, einen zweiten Weg um diese Stellen herum gebaut, der nur bergauf benutzt werden darf. Dies ist allerdings ein Klettersteig ... Naja, weiter oben wird das Volk deutlich dünner. Auf dem Gipfel des Piz Boe (3155m) sind wir ganz allein.
Wir müssen heute aber noch bis in die Ütia Franz Kostner. Ursprünglich war geplant, den Weg Nr. 672 gleich vom Gipfel des Piz Boe aus hinab zu benutzen. Dies ist aber dort oben ein scharfer Gratweg. Wir wollen mit unseren schweren Rucksäcken nicht unnötig ein Risiko eingehen und steigen zunächst ab. Am Fuß des Aufstiegs (d.h. ganz in der Nähe des Rifugio Boe) geht nämlich ein neuer, auf vielen Karten noch nicht eingezeichneter Weg von Rifugio nach Osten, der etwa nach 1km auf den 672 trifft. Dieser neue Weg hat zwar an seiner höchsten Stelle auch ein paar Fixseile, ist aber nicht gefährlich. Der 672 fällt dann nach Osten hin ab. Kurz vor der Hütte hat er noch mehrere Fixseile, die einem den steilen Abstieg über Felsen ermöglichen. Besser man schnallt hier die Stöcke an den Rucksack, um die Hände freizuhaben.
Die Ütia (ladinisch: Hütte) Franz Kostner ist eine Hütte des Italienischen Alpenclubs CAI und zweifellos eine der besten, die wir auf dieser Tour gesehen haben. Das kleine Team dort arbeitet mit großem Fleiß daran, dem Wanderer einen angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen. Sehr gutes Essen, große Herzlichkeit. Wir haben ein kleines Zweierzimmer unterm Dach. Abends kommt (wie oft) ein Gewitter, wir müssen leider das Dachfenster schließen.
Länge: 15km, auf: 963m, ab: 1040m, T3
Der Abstieg nach Corvara ist eine vergleichsweise einfache Sache - er verläuft großteils durch zivilisiertes Gebiet. Es befinden sich dort Seilbahnen (mit Wartungswegen) sowie auch Häuser, die Fahrwege haben. Der Weg geht vorbei am Lech de Boe, der sehr hübsch ist, aber noch im Schatten liegt. Baden wäre sowieso verboten gewesen, denn der See ist ein Naturschutzgebiet.
In Corvara unten hat man ein lebendiges Dorf vor sich. Es gibt mehrere Läden, in denen man problemlos seine Lebensmittelvorräte auffrischen kann. Man muß also eigentlich vom Tourbeginn an nur bis Corvara planen. Wir haben dann den Fluß überquert und den Weg Nr.4A nach Norden genommen, der in einem schönen Wald eine ganze Zeitlang aufsteigt.
Später gelangt man auf einen weitgehend horizontalen Abschnitt, der um einen großen Kessel herumgeht. Die auf Karten eingezeichneten Wasserläufe waren alle vollkommen trocken. Auch der eingezeichnete Lech de Ciampai existierte so nicht. Bis zur Forcella de Ciampei (2386m) steigt es dann wieder steil, aber kurz.
Hinter der Forcella verläuft der Weg Nr.2 über eine karstige Hochebene und steigt nur noch wenig. Bis zum Rifugio Puez zieht es sich allerdings noch, was dadurch begünstigt wird, daß man das Rifugio lange Zeit nicht sehen kann.
Das Rifugio Puez (2475m) ist eine CAI-Hütte und gehört sogar derselben Sektion wie die Ütia Franz Kostner. Aber die Unterschiede sind beträchtlich. Das Rifugio Puez ist alt und finster, hat hölzerne Drei-Etagen-Betten und wieder sind die Sanitäranlagen ein echter Engpaß. Jeden Nachmittag bilden sich lange Schlangen vor den Waschräumen, denn die Duschen sind nur eine Stunde lang geöffnet.
Meinung: Das Rifugio Puez hat noch ein anderes Problem. Vieles dort läuft offensichtlich nicht rund, und zwar so, daß es die Gäste merken. Es ging schon sehr früh damit los – das Rifugio Puez war dasjenige mit der schlechtesten Kommunikation von allen. Schon die Reservation war holprig. Die Bestätigung per e-mail, daß wir wirklich kommen, kam zurück – "diese Mail-Adresse existiert nicht mehr". Andere Gäste bestätigten dies von sich aus, ohne daß wir danach gefragt hätten, zudem sei ihnen das Telefon einfach aufgelegt worden. Davon abgesehen ... wir hatten ein Zweierzimmer reserviert, das sich letztendlich als ein finsteres Loch (und Durchgangszimmer) entpuppte. Wir sind freiwillig in ein 12er-Zimmer umgezogen, um uns zu verbessern. (Die Webseite zeigt übrigens keine einzige Innenaufnahme ... warum wohl?) – Vermutlich ist das Rifugio Puez momentan keine gute Wahl. Es war ein Tiefpunkt unserer Tour.
Länge: 4.4km, auf/ab: 440m, T3
Ein Pausentag ist sicher keine schlechte Idee für den Fall, daß mal ein Problem vorliegt. Bei uns war das noch nicht der Fall, wir nutzten unseren Pausentag, um einmal mit nur ganz leichtem Gepäck einen Gipfel zu machen, und zwar die westliche Puez-Spitze (2913m). Dies ist von der Puez-Hütte aus eine vergleichsweise einfache Sache. Der Ausblick von der Puez-Spitze aus ist bemerkenswert, man kann vom Schlern über die Marmolada und den Piz Boe bis hinüber zur Lavarella eine große Anzahl Gipfel sehen. Im Norden sieht man zudem auch den Alpenhauptkamm. Diese kurze Tour war ein Highlight.
Länge: 13km, auf: 921m, ab: 1347m, T3+
Wir verlassen die Puezhütte früh und begeben uns auf dem Weg Nr.1 nach Osten. Dieser Weg führt über ein überraschend schönes Hochplateau bis auf eine Höhe von 2668m und fällt dann später Richtung Badia sehr steil ab. Auf dem Hochplateau fanden wir eine tote und bereits in Verwesung befindliche Gemse. Sie stammt wahrscheinlich noch vom Winter. Immerhin: wir hatten bis zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige gesehen, es gibt hier also tatsächlich welche.
Das steile Stück des Weges Nr.1 ist in der Karte mit einem Klettersteigzeichen markiert. Es es wird happig, der Weg ist auch teilweise verwachsen. Wir brauchen mit unseren Rucksäcken über eine Stunde für diese Passage. Fixseil folgt auf Fixseil, dazu die Mittagshitze. Erst unten bei Erreichen der Waldgrenze läßt die Steilheit nach.
In Badia kaufen wir Getränke für unsere Trinkflaschen und ein paar Früchte. Der Ort Badia hat übrigens ein ultraschlaues Müll-Konzept – mach einfach keinen! Es gibt absichtlich keinerlei öffentliche Abfallkübel o.ä. Wer also in einem Laden etwas kauft, das verpackt ist, muß die Verpackung bei sich behalten, er kann und darf sie nirgends wegwerfen. Genial!
Hinter Badia nahmen wir den Weg Nr.7, der wieder sehr steil und ohne Schatten aus dem Ort hinausführt. Wir wechselten dann aber hinüber auf den Weg 7B, der später auf den Weg Nr.13 kommt. Dieser führt dann zum Schutzhaus S.Croce.
Das Schutzhaus S.Croce (2045m) ist ein Privatbetrieb. Es handelt sich um das ehemalige Pilgerhaus der Heiligkreuz-Wallfahrtskirche, die gleich daneben steht und nämlich einen echten (!) Splitter (!!) vom echten (!!!) Kreuz (!!!!) besitzt. Das Pilgerhaus stammt aus dem Jahre 1718. Außen hat es steinerne Wände, innen allerdings ist so ziemlich alles aus Holz und sehr rustikal. Das Schutzhaus bietet uns zu zweit ein vergleichsweise großes Dreierzimmer, dazu mehrere Waschräume mit Duschen und eine hervorragende Küche. Wir fühlen uns sehr wohl.
Die Wallfahrtskirche hat darüber hinaus noch eine sehr interessante Uhr, bei der die Zeiger vertauscht sind: der große zeigt auf dem äußeren Zifferblatt die Stunden, der kleine auf dem eigenen, inneren Zifferblatt die Minuten. Man muß schon sehr genau hinschauen, um diese Kirchturmuhr abzulesen.
Länge: 12.7km, auf/ab: 840m, T2
Wir haben erneut einen Pausentag eingeplant, eigentlich um den Lavarella-Gipfel (3055m) zu machen. Im Hinblick auf den gestrigen Abstieg und den Zustand unserer Knie haben wir jedoch die Forcella de Medesc zum Tagesziel erklärt.
Außerdem wollten wir eigentlich auf dem Hinweg über den Kreuzkofel-Klettersteig (Weg Nr.12B) und zurück über die Wege 12A und 15, haben uns aber von dem roten Klettersteigsymbol verunsichern lassen, obwohl ich bereits zuvor gelesen hatte (und andere uns hinterher auch bestätigten), daß dieser Klettersteig nicht so dramatisch sei. So sind wir also auf dem Hin- und Rückweg über die Wege 15 und 12A gegangen und haben auf der Forcella (2533m) die kleinen Gipfelchen gemacht, die gleich daneben liegen.
Die Lavarella hätte noch weitere 500m (also insgesamt mehr als 1200m) auf und ab bedeutet, das wäre an dem Tag wahrscheinlich schwierig geworden, auch ohne schweres Gepäck.
Länge: 12km, auf: 855m, ab: 865m, T3
Wir haben, um zur Lavarellahütte zu kommen, einen Weg gewählt, der nicht durch den großen Fanes-Kessel verläuft, sondern nördlich außen herum, den Weg Nr.15B. Dieser verläuft durch einen sehr schönen Wald, der stellenweise tatsächlich an Kanada erinnert. Auf einem Felsen über uns sehen wir zwei gehörnte Köpfe uns beobachten. Es sind wirklich zwei lebende Gemsen. Bevor der Weg Nr.15B auf den 13A trifft, fällt er ein paarmal steil, ist auch teilweise verschüttet.
Der Weg Nr.13A (später 13) hat einen anderen Charakter, er steigt zunächst fast unmerklich und läßt sich sehr gut gehen. Später dann, oberhalb der Baumgrenze, wird auch er steiler und kurz vor dem Antoniusjoch (2466m) wird er mühsam, aber zum Glück nicht lange. Wer hier noch Energiereserven hat, kann den Piz de Saint Antone (2655m) machen. Der Abstieg zur Lavarellahütte verläuft dann mit einigem Bimbam über eine große Kuhweide.
Die Lavarellahütte (2050m) ist privat. Sie liegt in mitten des großen Kessels und hat einen Murmeltierbau direkt davor. Man kann vom Fenster aus stundenlang das Treiben beobachten. Gutes Essen, herzlicher Umgang. Die Lavarellahütte hat zudem eigene Indoor-Wäscheleinen auf dem Gang, sehr praktisch. Wir haben ein kleines, schmales Zweierzimmer mit eigenem Waschbecken.
Länge: 16km (ohne Cortina), auf: 684m, ab: 1374m, T3+
Diese Etappe macht vor allem Strecke. Wir begeben uns zunächst durch die überraschend wasserrreiche Ebene hinüber zur Faneshütte und steigen dann auf dem Weg Nr.10/11, der zugleich auch der publikumsreiche Dolomiten-Höhenweg Nr.1 ist, bis zum Le de Limo. Dort zweigt unser eigentlicher Weg Nr.418 nach Osten ab, der nun zu steigen beginnt. Das Merkwürdige an diesem Weg ist, daß er irgendwie kein Ende findet, der Hang ist so geformt, daß es immer nur weiter hinauf geht.
Auf einer Höhe von knapp 2600m gelangt man an eine restaurierte österreichische Geschützstellung, die nach Osten (Richtung Cortina) gerichtet ist. Es sind dort auch ein paar Schautafeln aufgestellt. Dahinter dann durchquert der Weg zunächst ohne größeres Gefälle einen Talkessel, wobei mehrere tiefe Gräben zu überwinden sind, die durch Wasser entstanden sind. Einige dieser Gräben sind mehrere Meter tief und das Hinein- und Hinauskommen erfordert in lockerer Erde und bei dem steilen Gefälle Kraft und Mut. Vor uns lief eine achtköpfige spanische Gruppe, die damit erhebliche Schwierigkeiten hatte und ziemlich lange brauchte. Später dann wird der Weg wieder felsig, was Trittsicherheit garantiert, und fällt bis zur Baumgrenze steil ab.
Im Wald gelangen wir dann bald auf den Fahrweg und können vergleichsweise bequem, nun allerdings unter Menschen bis zum Hotel Fiames laufen. Bald gesellt sich der Fluß Boite dazu, der hier noch sehr schönes Wasser hat und einen unbedingten Badestopp erfordert. Die Fließrichtung des Flusses hat mich überrascht, die Wege, die Beschilderung, Straßen und Fluß sind hier manchmal etwas unübersichtlich.
Das Hotel Fiames (1292m) liegt in Italien, nicht mehr in Südtirol, das muß man richtig verstehen. Es ist alt, bißchen muffig, aber brauchbar. Wir haben ein großes Zweierzimmer, leider direkt auf die Straße hinaus. Achtung! Man darf nicht eine Minute vor 7 Uhr beim Frühstück erscheinen, besser dann auch die Nonna nicht ansprechen (sie hat noch nicht geöffnet) und sich allerkeinstenfalles an den falschen Tisch setzen.
Länge: 19km, auf: 1517m, ab: 932m, T4
Wir verlassen das Hotel, nachdem es tatsächlich noch einen kleinen Disput über ominöse Gedecke geben mußte, und gehen auf einem Weg, der auf der ehemaligen Bahntrasse verläuft. Bis 1964 (?) verband eine schmalspurige Eisenbahn Toblach und Cortina, diese war sogar elektrifiziert. Der Weg ist deshalb glatt wie kein anderer bis zum ehemaligen Bahnhof von Cortina.
Wir umgehen die Stadt östlich und verlassen sie auf dem Weg Nr.210, später auf dem extrem steilen 212. Dieser Weg ist wahrscheinlich der steilste der ganzen Tour, er verläuft einfach senkrecht zu den zahlreichen Höhenlinien, und zwar über lange Zeit. Er hat zwar Serpentinen, diese sind aber nur eine Art "Dekoration". Man braucht bis zum späten Vormittag, um das Rifugio Faloria (2123m) zu erreichen, wo es selbstverständlich auch gleich wieder jede Menge Volk hat.
Anschließend gehen wir auf dem Weg Nr.213, wo das Volk sogleich wieder nachläßt, unter dem Rifugio Tondi hindurch bis zur Forcella Faloria (2309m). An diesem Punkt muß man sich entscheiden: entweder man geht nun den bequemeren, aber weiteren Weg Nr.223 weiter nach Osten oder man begibt sich weiter nach oben Richtung Ponta Negra, um dann den Klettersteig hinab zum Sorapis-See zu nehmen. Wir haben letzteres getan.
Der Weg Nr.215, der zur Ponta Negra hinaufführt, hat einige Stellen, an denen man die Hände braucht. Aber es ist nicht so, daß man vor besonderen Schwierigkeiten warnen müßte. Oben führt der Weg noch um den Gipfel herum durch eine Scharte, danach beginnt der Klettersteig hinab. Dieser besteht aus vielen Fixseilen, oft noch Klammern am Boden, dazwischen aber auch Stellen, die ungesichert verlaufen. Dieser Abstieg zieht sich und endet auf Schutthalden, die man vergleichsweise bequem weglos ins Tal hinabschreiten kann.
Im Tal unten sieht man plötzlich eine beachtliche Moräne. Und auch die Farbe des Sees verrät: hier ist irgendwo ein Gletscher. Man muß allerdings weit zurückblicken, um ihn zu sehen, er ist auch nicht mehr sehr groß, wie fast alle Dolomitengletscher.
Zum See hinab wird es nun noch einmal steil und der Weg verläuft zudem in einem (selbstverständlich völlig trockenen) Bachbett. Das hat als Konsequenz, daß man über Steine aller Größen läuft, es ist eigentlich kein Weg, es ist eine lange Schutthalde, die hinabführt. Man kann sich mit etwas Übung auf ein gezieltes Rutschen einlassen, das dämpft den Schritt etwas, aber es funktioniert nicht immer. Froh der, der unten am See angekommen ist und nun die letzten ebenfalls noch einmal beschwerlichen Meter um den See herum absolvieren kann. Die Hütte sieht man erst, wenn man unmittelbar davorsteht. Das Wasser im See sieht übrigens aus der Ferne besser aus als aus der Nähe. Das Baden darin ist verboten (wahrscheinlich wegen der Trübheit).
Das Rifugio Alfonso Vandeli (1926m) ist eine private Hütte. Eng, aber nicht schlecht.
Achtung: Der Hüttenstempel schreibt zweifelsfrei "Vandeli" mit nur einem L. Fast überall sonst, auf Wegweisern und Karten findet man "Vandelli" mit zwei L.
Tag 12 Rifugio Vandelli – Rifugio Fonda Savio
Länge: 19.8km, auf: 1500m, ab: 1085m, T4+
Vom Rifugio Vandelli geht der Weg Nr.217 durch ein schönes und wasserreiches Tal, das Val Bona, in dem es unten einen Wald gibt, der sogar Laubbäume in größerer Zahl hat.
An diesem Punkt dachten wir nun, das Rifugio Fonda Savio sei ja Luftlinie nur noch 3km entfernt, 200 Höhenmeter, was soll da schon noch groß kommen? Aber diese Überlegung war leichtfertig.
Als Erstes kam Regen. Wir mußten uns noch unterhalb der Forcella de la Neve unter einen großen Felsen verkriechen, weil es eine halbe Stunde lang ordentlich schüttete. Erst dann konnten wir den Aufstieg machen, der übrigens schon ein bißchen Selbstvertrauen voraussetzt. Sicherungen gibt es hier keine, allerdings genügend Felsen, an denen man sich hochziehen kann.
Wir wollten eigentlich von der Forcella de la Neve (2471) aus den kurzen Weg direkt nach Norden gehen, der auch der Dolomiten-Höhenweg Nr.4 ist. Aber diesen Abzweig haben wir schlicht verpaßt. Für uns gab es von der Forcella nur einen Weg, und zwar den 118 nach unten. Damit war auch klar, daß wir, um zum Rifugio Fonda Savio zu kommen, den 117er noch einmal hinauf und über eine zweite Forcella gehen mußten. Diese war auch bald angeschrieben: Forcella del Diavolo, na prima.
Erneut setzte Regen ein und es wurde finster, man hatte irgendwie das Gefühl, die Nacht käme jetzt bald, dabei war es erst kurz nach 4 Uhr nachmittags, aber so läßt man sich stimmungsmäßig beeinflussen. Wir saßen jedenfalls in der Falle. Wer über die Forcella de la Neve geht, muß auch über die Forcella del Diavolo. Es half alles nichts, ein zweiter Aufstieg, noch einmal 175m wurde nötig, erneut ohne jede Sicherung.
Und weil das alles noch nicht reicht, ging es hinter dieser zweiten Forcella noch einmal betrachtlich hinab, um unten ein Felswand zu umrunden, und dahinter zur Hütte noch einmal hinauf. An diesem Tag haben wir endlich einmal Höhenmeter gemacht.
Das Rifugio Fratelli Fonda Savio (2367m) ist eine typische CAI-Hütte. Sehr klein, sehr eng. Gutes Essen. Wir haben ein 4qm großes Zweierzimmer, in dem ein Doppelstockbett und ein großer Schrank stehen. Der verbleibende Quadratmeter dient zum Öffnen und Schließen der Tür.
Länge: 10km, auf: 673m, ab: 637m, T4
Heute mal eine gemütliche Etappe. Der Weg Nr.117 geht hinter der Fonda-Savio-Hütte erst einmal nach unten. Der Bonacossa-Klettersteig liegt deutlich unterhalb der Hütte.
Der eigentliche Klettersteig beginnt erst, nachdem der 119er (Sentiero Giovanni Durissini-Est) nach Osten abgezweigt ist. Zunächst verläuft der Sentiero Alberto Bonacossa weitgehend horizontal, ab und zu kommt ein Seil, oft ist aber auch keins da. Kurz vor Ende kommt ein Stück, an dem die Seile mal ein paar Meter aufwärts gehen. Man muß die Hände benutzen. Es gibt auch ein paar Leitern. Danach verläuft es noch einmal horizontal, bis man den Durchbruch durch dieses Mini-Gebirge geschafft und freie Sicht auf die Drei Zinnen hat. Eigentlich ist dieser Weg harmlos. Das rote Klettersteigzeichen ist tatsächlich weit übertrieben.
Es geht dann zunächst noch auf einem Höhenweg hinüber zur Auronzo-Hütte (2320m), wo man sich einen Kaffee genehmigen kann.
Um die Drei Zinnen herum gibt es zwei Wege. Der bei weitem einfachere ist der östliche (Nr.101), denn der verläuft zwischen beiden Hütten fast horizontal. Der westliche (Nr.105) ist ebenfalls zunächst horizontal, geht hinter der Langalm aber deutlich hinab, so daß man, um auf die Dreizinnenhütte zu kommen, mehrere hundert Höhenmeter wieder steigen muß. Wir haben dennoch den westlichen Weg genommen.
Die Dreizinnenhütte (2450m), die italienisch Rifugio A.Locatelli - S.Innerkofler heißt, gehört dem CAI. Es handelt sich um ein vergleichsweise großes Haus mit einer beachtlichen Anzahl Zimmern und drei (!) Speisesäälen. Bezug der Schlafräume ist erst nach 15 Uhr möglich und man muß sofort bezahlen. Beim Abendessen kann man wählen und die Qualität ist ausgezeichnet. Wir haben ein Zweierzimmer, das zwar eine eiskalte Außenwand hat, aber ansonsten recht gemütlich ist.
Meinung: Eines ist klar: die Drei Zinnen, d.h. der Rundweg drumherum und die beiden Hütten (Auronzo und Dreizinnenhütte) sind durch Massentourismus geprägt, das ist offensichtlich. Das Volk ist hier zahlreich, schlecht ausgerüstet, unerfahren und laut. Es fliegt Müll herum, man muß oft ausweichen oder warten. Die Landschaft allerdings ist eindrücklich und lohnend.
Länge: 21.6km (mit einem kleinen Umweg), auf: 907m, ab: 1256m, T3
Wir gehen von der Dreizinnenhütte den direkten Weg Nr.102 nach Westen. Dieser verläuft durch ein schönes Tal mit einem ebenso schönen Fluß, der Rienz. Weiter unten überlegen wir wieder einmal einen Badestopp, aber wir haben keine Zeit, diese Etappe wird lang, und noch ist es kühl.
Wir entscheiden uns aber, einen Blick auf den Dürrensee (1403m) zu werfen. Dieser scheint überraschend flach zu sein.
Hinter dem Hotel Drei Zinnen gehen wir nun den Weg Nr.34, auf dem uns fast nur Franzosen entgegenkommen. (Wie geht das???) Im Tal unten sehen wir einige Befestigungsanlagen. Der Weg geht nun 600m hinauf. Dann kommt eine kurze Passage mit horizontalen Fixseilen. Dahinter geht es noch einmal 300 hinauf, allerdings nicht mehr so steil.
Das Ende aller Aufstiege heute bildet ein Haus, das man schon von weitem sehen kann. Es ist Teil des Sperrwerks Plätzwiese, einer militärischen Befestigungsanlage aus dem ersten Weltkrieg. Es steht direkt auf dem Strudelkopfsattel (2200m). Wer will, kann den Strudelkopf (2307m) noch machen oder sich mit den vielen Kühen unterhalten, die hier ganz frei herumlaufen.
Die Dürrensteinhütte (2040m), ital. Rifugio Vallandro, ist eine Privathütte. Sie hat mehrere schöne Zimmer, teils mit eigenen Bädern. Die Eigentümerin ist aber bestrebt, den Charakter als Berghütte beizubehalten. Bei Halbpension gibt es nur von Koch festgelegtes Essen für alle. Die Dürrensteinhütte hat uns gut gefallen, insbesondere auch wegen der Ruhe.
Leider hat der Regen, den wir vor dem Fonda Savio abbekommen haben, eine ordentliche Erkältung hinterlassen. Wir sind froh, hier tatsächlich Pause machen zu können. Eigentlich war die unschwere Besteigung des Dürrensteins geplant, aber daran ist heute nicht zu denken. Wir stopfen uns stattdessen mit dem nicht unerheblichen Angebt der nicht weit entfernten Malga (Almhütte Plätzwiese, 2030m) voll.
Länge: 16km, auf: 734m, ab: 1218m, T3
Wir verlassen die gemütliche Dürrensteinhütte auf dem Fahrweg Nr.37, wenden uns dann aber bald nach Westen und zwar auf dem Weg Nr.3. Dieser verläuft durch einen schönen, lockeren Nadelwald und steigt moderat, nur etwa 250m, dann verläuft er horizontal. Der eingezeichnete Klettersteig besteht nur aus ein paar horizontalen Fixseilen.
Vor der Rossalpe hat es im Jahre 2016 einen beträchtlichen Bergsturz gegeben, der auch den Weg verschüttet hat. Es gibt dort eine kleine Umleitung. Interessant ist aber, daß die grauen Felsen innen orange sind. Der Schuttkegel ist orange gefärbt und nun auch eine senkrecht stehende Wand an einem großen Berg.
Hinter der Rossalpe (2164m) kommt noch ein kleiner Paß (2273m), auf dem ein paar Pferde (schöne Haflinger) stehen, die es aber mit Menschen nicht so haben.
Dahinter geht's dann zum Pragser Wildsee hinab, und je näher man kommt, umso mehr Volk findet sich auch ein. Unten dann, um den See herum, läuft man wie in einer Fußgängerzone, Kinderwagen, Hunde usw. und man hat durchaus Mühe, die Rucksäcke durch die Leute zu bekommen. Die Leute kommen mit Bussen aus dem Tal, u.a. weil der Pragser Wildsee durch eine italienische Fernsehserie (Terence Hill) bekannt geworden ist. Das östliche Seeufer besitzt übrigens mindestens zwei unerwartete Anstiege, wo sich die Leute am Geländer hochhangeln. Und nein, sie wollen das durchaus nicht loslassen ...
Wir waren tatsächlich im Hotel Pragser Wildsee (1490m). Dies ist ein großes, 110jähriges, geschichtsreiches, denkmalgeschütztes Haus. Wir haben ein grosses Dreierzimmer mit extra noch einem großen Sofa und eigenem Waschbecken. Die Einrichtung ist allerdings teilweise auch 110jährig. Meine Matratze war auf beiden Seiten abschüssig – entweder, es gelang, genau auf der Mitte zu liegen, oder man rollte entweder nach links oder nach rechts. Immerhin, auf dem Gang hing bemerkenswerterweise ein Ganzkörperportrait von Kaiser Franz-Joseph. (Wir sind wieder in Südtirol.)
Länge: 15km, auf: 189m, ab: 455m, T2
Letzte Etappe. Eigentlich keine richtige mehr, Toblach war eine Notlösung, denn niemand im Tal unten wollte Gäste für ein oder zwei Nächte aufnehmen. "Unter vier Nächten machen wir gar nichts mehr." - das ist heute in den Tälern sehr typisch. Die Jugendherberge in Toblach ist eine lobenswerte Ausnahme.
Vom Pragser Wildsee aus sind wir den direkten Weg Nr.1 ins Tal hinab gegangen, über Plung und Niederdorf. Nicht viel Erwähnenswertes. Wälder und Wiesen. In Niederdorf war gerade ein Flohmarkt, mehrere Bilder von Kaiser Franz-Joseph und Kaiserin Sissi, ein deutscher Stahlhelm aus dem ersten Weltkrieg.
Die Jugendherberge in Toblach befindet sich im ehemaligen Grand Hotel im Süden des Ortes, Ortsteil Neutoblach, ganz in der Nähe des Bahnhofs. Einen Aufenthalt dort kann man absolut empfehlen, sie hat große, schöne, saubere Zimmer, große Waschräume, eine Waschmaschine, gutes Frühstück. Eine richtig vorbildliche Einrichtung!
Nachbemerkungen
Kritik
Einige Etappen waren definitiv zu lang. Man muß sich darüber klar werden, daß das Fernwandern in den Dolomiten aufgrund der Steilheiten der Wege, ihrer Beschaffenheit und ihrer Verschüttetheit, der zusätzlichen Klettersteige, aber auch aufgrund von Faktoren wie Hitze und Trockenheit anspruchsvoll und anstrengend ist und man ggf. nicht so vorankommt, wie man es aus anderen Gegenden gewohnt ist. Wenn man sich bislang eine Obergrenze wie z.B. 20km pro Tag gesetzt hatte, dann wären in den Dolomiten wahrscheinlich 15km realistischer, besser 12km.
Wasser
Trinkwasser ist unterwegs wahrscheinlich die wichtigste (und gleichzeitig schwerste) Verbrauchsressource. Man benötigt in den Dolomiten durchaus drei Liter Wasser am Tag, ein groß gewachsener, kräftiger Mensch auch mehr. Man schwitzt es einfach aus. Man muß deshalb regelmäßig, am besten jede Stunde, eine Trinkpause einlegen.
Fließendes Wasser ist in den Dolomiten sehr knapp. Darauf zu vertrauen, daß man unterwegs schon einen brauchbaren Bach finden werde, ist keine gute Idee. Wir hatten mehrere Etappen, die vollkommen trocken waren.
Der Fernwanderer muß also einen sehr schwierigen Kompromiß treffen zwischen dem, was er braucht, und dem, was er tragen kann. Eine 3L-Trinkblase wiegt halt auch 3kg, das ist verdammt viel. Wir haben mit zwei Trinkflaschen (1L + 0.7L) pro Person gute Erfahrungen gemacht. Wenn man nachmittags noch einen guten Bach findet, kann man die kleinere noch einmal auffüllen. Den Rest des Tagesbedarfs deckt man nach Etappenende.
Generell muß man sagen, daß in der zweiten Hälfte der Tour mehr Wasser in Form von Bächen vorhanden war als in der ersten Hälfte.
Ernährung
- Aufgrund des starken Schwitzens ist es notwendig, dem Körper auch Salz zuzuführen. Kaminwurzen oder Schinken sind ein gutes Mittel, regelmäßig mittags. Zudem sollte man auch abends in den Hütten nicht nur die üblichen Apfelstrudel und Kaiserschmarren zu sich nehmen, sondern unbedingt auch etwas Salziges.
- Da die Hütten oft nicht viele Frischwaren bieten, ist es ratsam, ein paar Vitamine in Form von Trockenfrüchten dabeizuhaben. Unten in den Dörfern, wenn man einkauft, stürzt man sich ohnehin auf die Früchte.
- Wir halten es für empfehlenswert, Übernachtungen in der Hauptsaison schon lange im Voraus zu reservieren. Es ist zwar nicht unbedingt wünschenswert, dann in ein festes zeitliches Korsett gepreßt zu sein und die täglichen Etappen dann auch wirklich bringen zu müssen, aber auf vielen Hütten ist es tatsächlich so, daß großer Andrang herrscht und späte Gäste auch abgewiesen werden, wir haben das beobachtet. Und wenn man doch noch unterkommt, erhält man Plätze, die irgendwo verstreut sind, Reste. – Ich habe für unsere im August geplante Tour bereits im Februar alle Hütten reserviert und dabei schon eine Absage bekommen. Wenn man zudem Wünsche hat, die über ein Massenlager hinausgehen, d.h. ein kleineres Zimmer haben will, ist die Reservation unbedingt anzuraten.
- Einige Hütten verlangen heute ein sog. Angeld, d.h. man muß meist die Hälfte der Kosten im Voraus entrichten, mit einer Auslandsüberweisung. Dies wird innerhalb der EU einfacher möglich sein als beispielsweise von der Schweiz nach Italien, wo zusätzliche Kosten entstehen. Achtung: beim Bezahlen der zweiten Hälfte der Kosten vor Ort ist es klug die Rechnung hinsichtlich geleisteter Vorauszahlungen zu prüfen, d.h. ob das Angeld korrekt angerechnet wurde.
- Auf den Hütten bezahlt man in der Regel bar. Das hat zur Konsequenz, daß man durchaus eine ganze Menge Bargeld mit sich führen muß. Man sollte den Bedarf an Bargeld vorher also einmal durchrechnen. In Cortina wird man Geldautomaten finden.
- Die angesprochenen Engpässe im Sanitärbereich vieler Hütten kommen immer daher, daß sehr oft mehrere Sanitärkomponenten, also WC, (manchmal gleich mehrere) Waschbecken und eine Dusche (und der verdammte Fön!) gemeinsam im gleichen Raum angebracht sind, der verriegelt werden kann. Wenn eine Dame also ihre Haare fönt, ist die gesamte Einrichtung zehn Minuten lang blockiert. Und danach kommt gleich die nächste mit ihren Haaren. Das ist ganz erheblich unpraktisch, aber offenbar ein italienisches Prinzip.
- Das Schlernhaus (und noch einige andere) praktiziert "das Gegenteil": im Bettenhaus gibt es lediglich einen einzigen Waschraum für alle, es gibt keine Geschlechtertrennung. Grund genug für Männer, stets unter allerstrengsten bösen Blicken einen bescheidenen Zähneputzvorgang abwickeln zu müssen und dann so schnell wie möglich zu verschwinden ...
- Zu den Hütten wäre noch zu sagen, daß in Italien generell der Dieselgenerator noch immer eine große Rolle spielt. In Österreich oder der Schweiz kennt man so etwas gar nicht mehr. Die meisten italienischen Hütten haben einen, der den ganzen Tag läuft, nachts wird er meistens abgeschaltet. Im Bettengebäude des Schlernhauses ist er sogar im Haus drin, man hört ihn ganz ordentlich wummern. Bei vielen Hütten riecht man zudem bereits auf 500m deren Dieselfahne, was nicht angenehm ist. Es kann sogar bei ungünstigem Wind sein, daß die Hütte selbst in ihrer eigenen Abgasfahne liegt, das war auf der Vandelli- und der Fonda-Savio-Hütte der Fall. Strom gibt es nur, solange der Generator läuft. Das Mobiltelefon über Nacht zu laden, ist deshalb in der Regel nicht möglich. Schlau, wer eine Powerbank dabeihat.
Gepäck und Ausrüstung
- Unsere 40L-Rucksäcke hatten (inkl. gefüllter Flaschen) knapp 14kg. Das ist viel. Es ist sogar mehr als auf unserer Alpenüberquerung vor zwei Jahren, obwohl wir diesmal keine Steigeisen mitführten. Dieses Gewicht kam vor allem durch das Klettersteigset, den Helm und unseren Nahrungsmittelvorrat.
- Das Klettersteigset (Gurt und Haken) und den Helm dabeizuhaben, war uns ein Anliegen. Am Bonacossa-Weg haben wir es auch benutzt. Unbedingt gebraucht hätten wir es nicht, aber das ist natürlich eine Aussage, die nur für Idealbedingungen zutrifft. Ein falscher Schritt, ein Stolperer reicht ja und dann hängt man sein Leben daran.
- Unseren Vorrat an mitgeführter Nahrung hätten wir allerdings deutlich kleiner gestalten können, da in Corvara, Badia und Cortina gute Einkaufsmöglichkeiten bestehen. Man muß eigentlich nur bis Corvara planen und dann jeweils moderat einkaufen.
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Vernünftige Bergschuhe sind eine Notwendigkeit.
- Sie sollten deutlich über die Knöchel gehen, damit diese insbesondere gegen seitliches Abknicken geschützt sind, das ist auf Dolomitenwegen wichtig.
- Zweitens sollten die Schuhe das Nachvornerutschen des Fußes beim Bergabgehen verhindern, auch das erfordert einen hohen Schaft (und vorne bißchen Platz).
- Drittens sollten sie einen erkennbaren Absatz haben, das ist ebenfalls für das Bergabgehen auf rutschigen Wegen und Schutthalden wichtig.
- Wir haben oft Wäsche gewaschen. Aus diesem Grund hatten wir in kleinen Mengen Flüssigwaschmittel dabei. Außerdem ist es eine sehr kluge Idee, 5m Paketschnur mitzunehmen, u.a. um diese als Wäscheleine zu verwenden. Diese kam fast täglich zum Einsatz.
- Wir hatten zudem je ein Paar Badeschuhe mit. Auf den meisten italienischen Hütten ist es besser, sein eigenes Paar Hüttenschuhe mitzuhaben, aus Gründen! Solche Badeschuhe sind vergleichsweise leicht und überaus nützlich.
- An den Kletterpassagen, wo oft Fixseile angebracht sind, aber auch an Felsen, ist ein Paar Handschuhe zu überdenken. Ganz einfache Arbeitshandschuhe aus einem Baumarkt leisten ggf. gute Dienste. Sie sollten allerdings nicht zu groß sein und gut sitzen.
- Wir sind altmodisch und laufen nach Karten. Wir haben Kompass-Karten benutzt. Allerdings ist unser Vertrauen in die Kompass-Karten nicht mehr unerschütterlich. In der Gegend um das Rifugio Fonda Savio ist die Kompass-Karte tatsächlich nur bedingt brauchbar. Wer sich nicht im Vorfeld anhand anderer Karten (beispielsweise online) besser informiert, kann dort von den realen Umständen böse überrascht werden. In Italien sagte man uns, daß man in den Dolomiten selbstverständlich Tabacco-Karten verwendet, die tatsächlich nicht schlecht sind.
- Die echten Kompass-Karten mitzunehmen, hätte auf dieser Tour mindestens vier Stück, also einen ordentlichen Packen bedeutet. Wir haben deshalb, wie wir das bei anderen Touren auch machen, für jeden Tag ein oder zwei A4-Blätter im Maßstab 1:20000 als Karte ausgedruckt. Diese Blätter kann man einen Tag lang benutzen, es kann auch mal draufregnen, und abends kann man sie fortschmeißen (oder an andere verschenken).
- Wir haben drei verschiedene Typen von Wegweisern gefunden. Offenbar verwenden die Provinzen Südtirol, Trentino und Venetien jeweils eigene. Die in Südtirol werden vom Alpenverein Südtirol (AVS) unterhalten und sind klar die aussagekräftigsten. Leider sind die grauen Holzbretter in aller Regel schlecht zu sehen. Die Wegweiser im Trentino und in Venetien zeigen meist nur die Richtung, nicht die Zeitdauer, die man brauchen wird.
- Markierungen sind in aller Regel gut, teilweise vorbildlich in rot-weiß oder rot-weiß-rot. An einigen Stellen besteht die offizielle Markierung allerdings auch nur aus roten Farbtupfen, die auf Felsen gemalt sind.
Tiere und Pflanzen
In vielen Fällen und wohl über die Hälfte der Zeit befindet man sich in Naturparks. Das hat zur Folge, daß man doch viele Pflanzen zu sehen bekommt, darunter das Edelweiß, vor allem im Westen der Tour (Schlern), und andere, teils sogar endemische Blumen. Die Wälder sind oft sehr schön und zudem voller Blaubeeren (in unserem Fall waren allerdings sämtliche Beeren wegen Trockenheit abgefallen).
Das Murmeltier ist zahlreich, man kann fast jeden Tag welche sehen, außer in Gegenden, die gar zu steinig sind. Und, wie gesagt, der Tannenhäher ist überall präsent. Das war's dann aber auch. Gemsen sieht man gelegentlich, aber stets nur sehr wenige, eine oder zwei, und oft nur auf sehr große Entfernung. Andere typische Alpentiere (Steinbock, Bartgeier, Steinadler, Birkhuhn, Schneehuhn) oder auch Reptilien haben wir nicht gesehen, kein einziges Exemplar. Man sieht übrigens auch überraschend wenig Kühe (weil die Wege schlicht zu steil sind) und Schafe.
Gustav Mahler
Die Stadt Toblach hat jedes Jahr im Sommer aus bekannten Gründen ein umfangreiches Musik- und Veranstaltungsprogramm. Der Autor verpaßte leider eine Aufführung von Mahlers Achter um ein paar Tage. Wer schlauer sein will, schaut vorher auf den Veranstaltungskalender und plant seine Tour so, daß er am Ende genau am richtigen Tag ankommt.
Many thanks ...
... to all the people we talked to, either on the way or in the huts, shortening our evenings. They came from South Tyrol, Denmark, Germany, the US, Italy, France, Belgium and Spain. Hope you all could end up your walks successfully.
Einen Dank noch an die ÖBB, die auf der Rückfahrt den Schienenersatz auf der Brenner- und auf der Arlbergstrecke vorbildlich organisiert hat.
Mehr Bilder hier.
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