Mont Dzalou (3007m)
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Unser eigentliches Ziel, die Besteigung des Gran Paradiso, liegt noch weit in der Ferne, bei dieser Tour ging es um Akklimatisation und Konditionsaufbau. Als Zwischenziel haben wir uns die „Refuge-bivouac Chentre Carlo“ oberhalb von Bionaz ausgesucht. Diese unbewirtschaftete und kostenlose Hütte der Gemeinde Bionaz und des Niederländischen Alpenvereins steht immer offen und ist exquisit ausgestattet. In traumhafter Lage wird sie auch von vielen Niederländischen Gästen besucht.
Näheres findet sich auf der Website https://www.refuges.info/point/3328/cabane-non-gardee/Refuge-bivouac-Chentre-Carlo-Bionaz-Ettore/ (dort auch Zugriff auf die Swiss Topo Karte).
Eine weitere Kartenquelle sind die historischen Karten der US-Army im Maßstab 1:50.000. https://legacy.lib.utexas.edu/maps/ams/italy_50k/ hier interessant die Blätter Velan Sheet 28-I und Valtournache Sheet 29-IV.
Begleitet von meinem Freund F. und seiner Tochter T., parkten wir unseren Wagen am Parkplatz oberhalb von „La Ferrère“ an der SR28 ziemlich weit im Tal hinter Bionaz.
Vom Parkplatz muss man zunächst etwa 80hm absteigen um kurz vor der kleinen Kirche „Madonna del Carmine“ den Fluss zu überqueren. Von diesem tiefsten Punkt der Tour bei etwa 1600m geht es etwa 1000hm auf 2530m hoch, etwas Gegenanstieg inklusive.
Der Weg verläuft zunächst im Wald und gewinnt rasch an Höhe. Etwa 3km weiter und 300hm höher erreicht man die ehemalige Alm „Bachal“. Am lauschigen Bach halten wir erst mal an und erfrischen uns ein wenig. Seltsamerweise führt der Weg ins „falsche“ Tal. Es gab wohl früher einen direkten Weg in das „richtige“ Tal, doch er scheint nicht mehr zu existieren. Deshalb gilt es jetzt in das „richtige“ Tal zu queren. Ein unbedachter Blick auf die Karte verheißt einen bequemen Weg über einen flachen Sattel, dem ist aber nicht so. Nach der langen Autofahrt macht sich neben der Wärme auch die Höhe bemerkbar, meine Kondition bricht stark ein und ich komme kaum noch voran, dabei ist der Weg noch weit und erst die Hälfte der Höhenmeter geschafft. Endlich ist nach weiteren 200hm der Sattel in etwa 200m Höhe erreicht. Hier muss man jetzt erneut etwas absteigen. Wie Till Eulenspiegel der bergab weint, verfluche ich schon jetzt den Wiederaufstieg. Eine kleine Entschädigung ist die Landschaft, die sehr feucht und fast tropisch mit dicken Blättern und viel Grün daherkommt.
Wir erreichen das Ufer des Baches der uns vom Aufstieg in das „Prax de Dieu“ trennt. Wie wir später erfahren war der letzte Winter (2017/18) mit viel Schnee verbunden, entsprechend sieht es aus. Der Weg über den reißenden Bach ist kaum zu erahnen, viel Holz in und um das Wasser und auf der anderen Seite ein ganzer Lärchenwald zerstört. Die Querung des Baches nimmt viel Zeit in Anspruch, ebenso der umgelegte Wald. Zum Glück geht die Sonne erst um 21:30 unter und richtig Dunkel wird es erst um 22 Uhr sein. Aber es geht weiter rauf. Ein jüngeres Paar mit Hund steigt ab, ich quäle mich weiter. Es ist 20:30 als wir auf etwa 2200m den Bach auf dem „Prax de Dieu“ überschreiten und ebenso die Baumgrenze. Bald erreichen wir das verfallene Gebäude der ehemaligen Alm. Noch weitere 250hm, ich weiß nicht wo die sich verstecken wollen, bis ich um die Ecke sehe. Erst flacher, dann in engen Serpentinen geht es unterhalb der Steilwand aufwärts, später dann einen grasigen Hang aufwärts. Erst im letzten Moment sieht man die Hütte. Für mich hätte sie nicht einen Meter weiter oben sein dürfen. Ich kämpfe einen Oberschenkelkrampf nieder und erreiche die Terrasse.
Was für eine Aussicht! Die Sonne ist schon lange hinter den Bergen verschwunden, die Dämmerung beginnt.
Jetzt kann der gemütliche Teil beginnen, bald summt der Kocher, wir rollen die Schlafsäcke aus, es gibt sogar für die Nacht elektrisches Licht, gespeist von einem Solarpanel. Am schönsten ist jedoch die Terrasse, die es erlaubt im Trockenen zu sitzen und den Blick schweifen zu lassen. Man sieht sogar weit unten im Tal, den Parkplatz mit unserem Auto.
Ein Blick in das Hüttenbuch, überwiegend in Niederländisch geschrieben, lässt erkennen, dass auch schon andere einen langen Weg hier rauf hatten, ich bin also in bester Gesellschaft.
In der Nacht grollen die angesagten Gewitter hinter den Bergen in Richtung Aosta, bei uns bleibt es trocken.
Tag 2 (2.7.2018)
Als ich am nächsten Morgen erwache, liegt das Tal im Nebel, darüber strahlender Sonnenschein. Wir frühstücken ausgiebig und erkunden etwas die Umgebung, u.A. auf der Suche nach geeigneten Toilettenplätzen, denn eine solche fehlt an der Hütte. Ein Blick zum Himmel verheißt schönes Wetter und so beschließen mein Freund F. und ich den Hausberg Mont Dzalou zu besteigen, derweil seine Tochter T. es vorzieht mit einem Buch in der Hand die Hütte zu „bewachen“. Der Mont Dzalou überschreitet mit 3007m ganz knapp die magische Dreitausender-Marke, eine Sehnsuchtsgrenze für uns Deutsche. Hier in den Zentralalpen jedoch ein kleines, ja ein unbedeutendes Ziel. Der in der Karte markierte Weg ist komplett unter einem Schneefeld verborgen, er ist ohnehin nicht ausgezeichnet und nur eine leichte Hilfe. Wir halten uns uns zunächst rechts (südlich), queren dann das Schneefeld nach links (nördlich) und steigen im Geröll weiter auf. Das Gestein ist sehr scharfkantig, ganz anders als bei uns im Harz, wo Wind, Frost und Regen schon etliche Millionen Jahre länger die Kanten abschleifen konnten. Nach einiger Plackerei erreichen wir nach etwas 2h den Pass „Col Dzalou“, wo wir erst mal ein kleines Päuschen einlegen. Ein Blick in die Offline-Karte von Openstreetmap und der Abgleich mit der GPS-Position zeigt, dass der mit Steinmannerln markierte Weg nicht an den Pass führt. Die restlichen 40hm ziehen sich etwas, hier muss man doch gelegentlich die Hand an den Felsen legen und die Wegeführung ist nur schwer erkennbar. Ausgesetzt ist es aber nirgends, es sein denn man wählt seinen eigenen Weg an der Kante entlang. Nach nochmal 45m stehen wir am Gipfel des Mont Dzalou. Ein schöner Blick, natürlich keine überragende Aussicht, zumal das Matterhorn hinter den Wolken liegt.
Den Abstieg machen wir etwas anders als den Aufstieg, wir rutschen durch ein Schuttfeld. Weiter unten fahren wir das Schneefeld auf dem Hosenboden ab, eine kalte aber schnelle Methode der Hohenmetervernichtung. Auf dem letzten Stück zur Hütte füllen wir nochmal die Wasserflaschen. Auch das ist ein Problem der Hütte. Sind die letzten Schneefelder im Sommer geschmolzen, gibt es kein Wasser mehr in der Nähe. Man muss bis zur ehemaligen Alm „Prax de Dieu“ absteigen um welches zu finden.
Am frühen Abend ziehen dann Wolken aus dem Tal herauf und hüllen die Hütte in Nebel. Wir essen etwas Leckeres, packen unsere Bücher aus und vertrödeln den Abend. Ich schreibe noch ein paar Zeilen in das Hüttenbuch. Nachts klart es auf und der Mond und die Sterne geben sich ein wunderbares Stell-Dich-Ein.
Tag 3 (3.7.2018)
Am nächsten Morgen ist alles wieder schön. Die Sonne beleuchtet die ersten Gipfel, während die Täler noch im Halbdunkel liegen. Wir frühstücken, packen und räumen auf und dann steigen wir ab. Unsere Hoffnung den Abstieg in 2,5h zu schaffen wird enttäuscht. Weder unsere persönliche Kondition noch die des Weges erlauben das. Nach etwas mehr als 3h sind wir wieder am Auto.
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