Drei Tage im Beverin-Naturpark


Publiziert von 1Gehirner , 23. August 2017 um 00:15.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Domleschg
Tour Datum:18 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2540 m
Abstieg: 2665 m
Strecke:35 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:SBB, Postbus ab Chur (Eilbus nach Bellinzona)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Postbus ab Neukirch, RhB ab Versam, SBB ab Chur
Unterkunftmöglichkeiten:Cufercalhütte, ab 2018 Alp Nurdagn, notfallmässig Tritthütte und zweite Hütte, Berggasthaus Beverin am Glaspass
Kartennummer:map.wanderland.ch

Männerwochenende im Nebel: Mit der "Nordkurve" unterwegs

Letztes Jahr war ich das erste Mal auf einer "Nordkurve"-Wanderung mit dabei. Damals war es das Tessin, diesmal ging's ins Bündnerland zum Piz Beverin. Von Sufers via Cufercalhütte, Farcletta digl Lai Pintg, Carnusapass und Glaspass zum Bischolsee und dann runter nach Neukirch, optional mit einer Besteigung des Piz Beverin zwischendrin - das war der Plan.

Freitag (6.2km, 975hm)
Die Anreise zu elft mit dem Gruppenticket klappt relativ problemlos. Der Zwölfte muss leider seine Frau vom Flughafen abholen und kann deshalb nicht mit. In Chur haben wir eine halbe Stunde Zeit und kaufen Proviant ein - viel zuviel, wie letztes Jahr. Im Nachhinein wissen wir: Nicht 150g, nicht 100g, nein, 50g Brot reichen (mit Beigaben) locker für eine Person und Pause aus, Schokolade wird überschätzt, Wurst auch...

In Sufers starten wir mit einem Gruppenbild am Steinbock und wandern durch das nette "Heidi"-Dörfchen hoch zur Sennerei, wo wir uns mit lokalem Käse versorgen. Weiter gehts über halbwegs steile Wald- und Wiesenwege zum "Heidi"-See Lai da Vons. Hier machen wir Mittagsrast. Überhaupt machen wir sehr viel Rast, etwa alle zwei Stunden eine. Oft packen wir alles aus, was wir an Essen dabei haben - der Ballast will reduziert werden! Leider lädt der Moorsee mit seinen schwammig-weissen Klumpen nicht zum Baden ein. Hätten wir gewusst, dass wir hier fast die letzten Sonnenstrahlen der ganzen Tour geniessen - wir wären vermutlich trotzdem reingesprungen.

Nach einer Verdauungspause, in der wir die Älplerfamilie beim hektischen Heu-Einbringen beobachten (die kennen den Wetterbericht... und die Aussicht spricht für sich), steigen wir an einem alten Bunker vorbei auf die Hochebene zur Cufercalhütte. Der Weg durch die Wiesen ist steil und schweisstreibend, fast die Schlüsselpassage der drei Tage. Oben angekommen wandert es sich dann leicht bis zur Hütte, sogar ein paar Murmeltiere sehen wir. Und wir lüften das Geheimnis der Schüsse, die wir immer wieder gehört haben: Ein Mann im fetten Pickup fährt die Strasse hoch und runter und ballert die Viecher vom Auto aus ab. O tempora o mores. Ich bin bei sowas immer etwas gespalten - ich verstehe die Bauern, die nicht ständig Kühe mit gebrochenen Beinen notschlachten wollen, aber die pummeligen kleinen Viecher waren nunmal zuerst da und sind keine Raubtiere oder sonstwie gefährlich...

Die Cufercalhütte ist wirklich niedlich, noch im alten Stil ohne Duschen (aber leider schon mit Duvets...). Wir werden von Guido und Renata herzlich willkommen geheissen. Max entdeckt das epochale Werk "Handbuch Alp", in dem unter anderen beschrieben wird, wie man selbstgejagte Murmeltiere geniessbar macht, wie oft eine Kuh pro Minute atmet, wie schwer ein frischer Kuhfladen ist und wie man sich selber einen Sonnenofen baut. Aussteigerträume kommen wieder mal hoch. Am Ende des Abends muss uns Renata nach Jass und Brändi-Dog fast ins Bett befehlen.

Nachts giesst es in Strömen und blitzt auch manchmal. Besser nachts als tagsüber, denken wir.

Samstag (18.6km, 940hm Aufstieg, 1475hm Abstieg plus Kuhtritte)
Wir stehen fürs Frühstück um 7 Uhr auf, versorgen uns mit Hüttentee, verabschieden uns von den beiden Hüttenwarten und machen uns bei 9°C und Nebelnieselregen (anfangs mit einem winzigen Schimmer Sonne!) auf den Weg zum Glaspass. Man kann sich nicht richtig anziehen - es ist zu warm für echte Regenkleidung, zu feucht für einen Fleecepulli. Aber der Weg ist schön, wir sehen eine Gämse und wieder ein paar Murmeltiere. Diesmal ohne ballernde Bündner.

Auf dem "Kleinseepässchen" (Furcletta digl Lai Pintg) angekommen offenbart sich das Spektrum unserer Gruppe und wohl auch der Gewichtsverteilung des Proviants auf die Rucksäcke - die Ersten warten sicher zwanzig Minuten auf die Letzten. Max und ich nutzen die Zeit für die Suche nach dem Pass-Geocache.

Danach folgt ein langer, schuttiger Abstieg über variierende Halden aus beweglichem Gestein in vielen Farben - grün, blassviolett, rotbraun, alles ist vertreten. Eine Stelle ist etwas eklig-rutschig und braucht ein bisschen Konzentration, der Rest geht problemlos. Der Abstieg zum Lai Pintg ist durch den Blick über den See und die aufreissenden Nebelschwaden sehr schön. Wir machen wieder mal Pause.

Dann geht's gefühlt weglos weiter zu Alp Nurdagn (sprich "Nurtain", glaube ich). Oft ohne Wegmarken, dem GPS unseres Führers Beat nach, durch Nebel und über zertrampelte Kuhweiden. Was ein Glück, dass wir hier noch nicht ahnen, dass diese schlechten Wege uns bis zur Tritthütte im Nachbartal begleiten werden...

Die Alp Nurdagn wird gerade ausgebaut für Gästeübernachtungen. Wir werden vom Südtiroler Pärchen mit seinen Kindern sehr gastfreundlich in die Stube eingeladen und mit unschlagbar leckerem und sehr preiswertem Kaffee und Apfelstrudel bewirtet. So verpassen wir auch einen der etwas stärkeren Regenschauer - wobei die Grenze zwischen Regen und Nebel heute fliessend ist und ständig vor- und zurückwogt.

Der Leidensweg geht weiter. Ab Curtginatsch geht es nur noch über Kuhweiden, schlammig und zerfurcht, mühsam zu gehen und sicher mit 100-200 inoffiziellen Extra-Höhenmetern zu Buche schlagend: rein in die Furche, raus aus der Furche, rein, raus... Von Grasbüschel zu Grasbüschel springen funktioniert nur selten und kaum im Aufstieg.

Dann sind wir endlich am Carnusapass, einer flachen Einsattelung wie auch die Furcletta am Morgen. Es windet und die Nebeltropfen sind so regenähnlich, dass wir uns fürs Warten in den Windschatten der Felsen kauern. Brrrr.

Der Abstieg (im Nebel) ist schlicht ekelhaft. Der Weg ist miserabel, später erzählen uns die zwei Jungs auf der Tritthütte, dass es vor einigen Tagen geschneit hatte... Im Abstieg vom Pass helfen wir noch ein paar anderen Wanderern, die weiter unten vom Weg abgekommen waren. Wenig markiert, oft undeutlich, ist er gar nicht so einfach zu erkennen. Erst nach der "dritten Hütte" wird er etwas besser. Die Jungs erlauben uns sogar, die zweite Hütte für unser Mittagessen zu nutzen.

Hier hellt es sogar ein bisschen auf. Im Trockenen machen wir Feuer, Beat und Max braten auf unkonventionelle Weise die zehn Cervelats, die wir mit uns herumschleppen, und auch der restliche Proviant verliert spürbar an Substanz. Endlich muss auch der leckere Sufner Käse dran glauben.

Der Abstieg runter ins Tal ist einfach, gut zu gehen und wieder mit vielen Murmeltiersichtungen garniert. Die Tierchen haben schon ordentlich Speck auf den Rippen. Ganz unten queren wir den Bach auf einer Brücke und nehmen den laaaaangen, geraden und recht steilen Gegenanstieg zum Glaspass unter die Füsse. Mir gibt dieser Weg den Rest, ich will am Ende nur noch ankommen. Die landschaftlichen Schönheiten lassen zu wünschen übrig (Nebel...). Endlich sind wir am Berggasthaus Beverin und fallen krachkaputt in die Betten. Später gibts ein leckeres Abendessen, aber ich gehe schon früh ins Bett, nachdem ich mehrmals im Sitzen am Tisch eingeschlafen bin... 35 Leistungskilometer sollen es laut Beat heut gewesen sein.

Sonntag (9,7km, 600hm Aufstieg, 1160hm Abstieg)
Heute ist die einfachste Etappe - vom Glaspass via Glaser Grat zum Bischolsee und dann runter nach Neukirch. Wir frühstücken zum Teil verspätet, weil mein Handywecker den Dienst verweigert. Die Zeit drängt aber nicht - entgegen der früheren Vorhersagen wandern wir wieder weitgehend im Nebel, die Sonne lässt auf sich warten. Der Glaser Grat ist ein gemütlicher, landschaftlich reizvoller breiter Buckel, einmal sehen wir eine ganze Herde Gämsen weit unten am Hang. Die Hälfte der Gruppe hat danach noch nicht genug und nimmt den ebenfalls schönen Lüschgrat noch mit, die andere wandert horizontal drumherum. Am Bischolsee treffen wir uns wieder.

Beat kennt sich aus und führt uns zu einem schönen Fleckchen am Nachbarsee, wo wir - richtig! - ausgiebig Pause machen. Immer noch ist Essen übrig und nicht zu knapp. Wir können aber endlich mal ein paar Sonnenstrahlen geniessen und sogar einen Blick auf den Piz Beverin werfen - der eigentlich am Samstag hätte bestiegen werden sollen. Macht aber bei Nebel keinen Spass, vor allem der T4-Abstieg zum Glaspass nicht.

Der Abstieg runter nach Neukirch führt fast nur durch den Wald, ist steil und manchmal nebendran recht abschüssig. Wir sehen viele, viele Pilze, Beat erklärt, welche davon essbar sind (und sammelt einige). Immer wieder wird deutlich, warum auch dieser Weg in einem schlechten Zustand ist - tief eingefressene Mountainbikespuren lassen keinen Zweifel an den Urhebern. Ich tue mich schwer, Verständnis für diese Art von "Sport" aufzubringen.

Schliesslich, nach einigen weiteren Warte- und Esspausen, sind wir endlich in Neukirch, besteigen den Postbus und lassen uns gemütlich nach Versam runterkutschieren, inklusive landschaftliche Erklärungen von der Busfahrerin. Immerhin fahren wir mit einer grossartigen Sicht auf die Rheinschlucht zum Bahnhof runter!

Tourengänger: 1Gehirner


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