Im Reich der Türme zwischen Borsthalden und Löchlibetter


Publiziert von Bergamotte , 1. August 2017 um 13:45.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:29 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1900 m
Unterkunftmöglichkeiten:Brunnen bei der Meglisalp
Kartennummer:1115 Säntis

Die Menschenmassen heute zwischen Seealpsee und Wasserauen waren gigantisch: Hundertschaften wollten offenbar den Aescher besuchen. In der mittleren Alpsteinkette, zwischen Schafberg- und Löchlibettersattel, war davon nichts zu spüren. Keine Menschenseele kam mir zu Gesicht, im Gipfelbuch auf dem westlichen Freiheitturm konnte ich gar den ersten Eintrag seit einem Jahr hinterlassen. Dabei zählt dieser Abschnitt unbestritten zu den Höhepunkten der ganzen Region. An den Schwierigkeiten kann's nicht liegen, die T4 muss man nicht überschreiten. Aber man darf natürlich, zum Beispiel im Zustieg über die Borsthalden statt das Mörderwegli. Oder an all den formschönen Felstürmen wie dem Nadlenspitz, den Freiheittürmen, dem Schafbergturm oder den Fählentürmen.

Die Schönheit des Alpsteins ist unbestritten - wenn nur die langweiligen und/oder umständlichen Zustiege nicht wären. So fahre ich heute mit dem Bike von Wasserauen (868m) zum Seealpsee hoch. Trotz den steilen Schiebepassagen spart man bereits im Aufstieg einige Minuten, ganz zu schweigen vom Abstieg. Nicht bedacht hatte ich die Karawannen bei meiner Rückkehr - besser man montiert eine Klingel. Beim Spitzigstein deponiere ich den Göppel und steige den abwechslungsreichen Weg zur Meglisalp (1516m) hoch. Dieser präsentiert sich nach den Regenfällen der Nacht ziemlich schmierig.

Feucht ist's auch im Steilgras der westexponierten Borsthalden und die Hose rasch bis in den Schritt durchnässt. Unter diesen Umständen kann ein Pickel hilfreich sein. Generell bleiben die Schwierigkeiten aber im vernünftigen Rahmen: etwa T6-, sofern man sich nicht versteigt (Topo). Tatsächlich klettere ich noch ganz unten - wider besseres Wissens - eine Steilrinne hoch, um wenige Meter vor dem Ausstieg in übelstem T6-Gelände den Rückzug antreten zu müssen. Bei diesem Ausflug blieb wohl auch meine Kamera auf der Strecke, auf jeden Fall griff ich auf dem "Schafbergsattel" ins Leere. Der übliche Kollateralschaden eines Bergverrückten.

Vom Sattel lässt sich der "Westliche Freiheitturm" (2109m) in einer Viertelstunde erreichen. Geschenkt bekommt man ihn trotzdem nicht, er ist das heutige Pièce de Résistance. Zuerst wenige Meter Abstieg nach Osten, um anschliessend in die Schrofenflanke einzusteigen und über sie die Grathöhe zu gewinnen (T5+ bis T6-). Nun verbleiben drei kurze, aber brüchige Aufschwünge bis zum Gipfel. Der erste ist technisch am schwierigsten (II), hält aber einigermassen. Im Anschluss wird's etwas einfacher, aber es gilt wirklich jeden Stein zu prüfen. Nachdem ich dieses Jahr bereits an den Läden und Hängeten unterwegs war, bin ich mir solches Terrain aber gewohnt. Und ausgesetzt ist es ohnehin überall, ingesamt eine stimmige T6. Gemäss Buch wartet der Gipfel seit genau einem Jahr (!) auf Besuch. Die Mehrheit der Einträge stammt vom Spender Maveric, daneben die üblichen Verdächtigen wie Böhi, Brülisauer, Krucker.

Auf gleichem Weg zurück in den Schafbergsattel und Umschalten in den Genussmodus. Der gutmütige Kamm zum Fählenschafberg (2103m) lässt sich aussichtsreich begehen, nur das hohe Gras stört etwas. Der Gipfel weist für den Alpstein ein äusserst vorteilhaftes Verhältnis von Besucherstrom zu Schwierigkeit auf. Zuvor könnte man übrigens mit bescheidenem Zusatzaufwand den Nadlenspitz einbauen; darauf verzichte ich heute aus Zeitgründen. Denn noch liegen drei Türme vor mir.

Die nordseitige Querung des Fählenschafbergturms sieht aus der Distanz ungemütlich aus, vor Ort geht das dank Wegspuren ganz gut (T4+). Man könnte bereits aus der Querung über eine breite Verschneidung direkt zum Gipfel hochklettern, was aber schwieriger ist als die Normalvariante auf der Südwestseite. Zunächst besuche ich jedoch den "Östlichen Fählenturm" (nicht kotiert, ca. 2208m). Das geht viel einfacher als erwartet: Der Fels ist fester als zuvor und die Ausgesetztheit moderat, knapp T6-. Am besten folgt man durchgehend der Gratschneide. Wieder unten im Sattel kommt der "Fählenschafbergturm" (2103m) doch noch an die Reihe. Im Aufstieg durchs zweite, rechte Couloir (Schutt, Schrofen) erreicht man eine T5. Oben nach fünf Stunden Marschzeit dann endlich die verdiente Mittagsrast.

Der Weiterweg auf der Nordseite der Fählentürm, durch die Löchlibetter, bietet bei aperen Verhältnissen keine grösseren Schwierigkeiten (T4). Kann aber im Geröll etwas mühsam sein. Zunächst folgt man Wegspuren leicht abwärts in die Flanke und folgt ihnen, bis sie sich verlaufen. Von dort Aufstieg bis an die Felswand, wo man die Querung ganz angenehm forsetzt. Allenfalls weicht man nochmals leicht nach unten aus, um schliesslich über einen mühseligen Schutthang zum "Löchlibettersattel" (2160m) aufzusteigen. Den "Westlichen Fählenturm" (2222m) lasse ich mir von hier nicht entgehen. Durch die grasige Südflanke erreiche ich den Gipfelturm, welcher sich etwas ausgesetzt, aber guttrittig links aussen erkraxeln lässt.

Die Beine sind langsam müde, aber Wasserauen noch kilometerweit entfernt. Zunächst bietet der alte Löchlibetterweg aber noch genug Abwechslung. Der Abzweiger befindet sich direkt hinter dem Wegweiser und die alten Wegspuren sind gut erkennbar. Im Abstieg fällt die Orientierung ziemlich leicht. Sieht man für 20 Meter keine Spuren mehr, ist man definitiv falsch. Anschliessend über den Wanderweg runter zur Meglisalp, wo ich wieder auf Trail Runners umsteige. Zuvor hatte mich ein älteres Ehepaar angehalten und sich detailliert zum Löchlibetterweg erkundigt. Zumindest den unübersichtlichen Einstieg konnte ich gut vermitteln. Im Schlussabstieg zurück nach Wasserauen (868m) werde ich nach der stundenlangen Einsamkeit schockartig Richtung Zivilisation geführt...


Zeiten
1:20  Meglisalp
1:30  Westl. Freiheitturm
1:40  Schafbergturm
0:35  Östl. Fählenturm
1:20  Wasserauen

Tourengänger: Bergamotte


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Kommentare (2)


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trainman hat gesagt:
Gesendet am 1. August 2017 um 21:41
Außerordentlich schöne Bilder, geeignet für einen Bildband über das Alpstein-Gebirge!

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. August 2017 um 16:47
Danke. Freut mich, dass Dir die Bilder trotz der Notlösung iphone 4 gefallen. Ich find sie teilweise etwas unscharf.


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