Blüemlisalp-Traverse (W-E)
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Wieder mal schmerzt am Tag danach jeder Körperteil, was man jedoch nach einer solchen Traumtour gerne in Kauf nimmt …
Aufgrund einer dummen Handverletzung konnte ich die letzten 5 Wochen nichts unternehmen (keine Details an dieser Stelle; ich sag nur „ÖV bzw. Bus fahren ist gefährlicher als Bergsteigen …!“). Die Skisaison war somit früher beendet als ursprünglich geplant und in die Sommersaison konnte ich bislang auch nicht starten.
Als der Arzt schliesslich grünes Licht gab, wollte ich keine Zeit verlieren und gleich mit einer „richtigen“ Tour in die Sommersaison starten … ;-).
Die Blüemlisalp ist ein wunderschönes Massiv, welches ich zuletzt im Mai von Thun aus wieder mal bewundern durfte. Eigentlich stand ursprünglich mal die bekannte Traversierung auf der Projektliste. Da ich aber wie erwähnt die letzten Wochen nichts machen konnte, musste die Vernunft siegen und ich mich mit der „einfacheren“ Variante begnügen – so war zumindest der Plan …
Hüttenzustieg
Von Kandersteg liess ich mich gemütlich zum Öschinensee hinaufgondeln, der beim heutigen Prachtswetter verständlicherweise viel Besuch erhielt. Ich startete also bei der Bergstation und wanderte gleich Richtung Läger los. Ich entschied mich zu Gunsten der schattenspendenden Wegabschnitte, denn es war bereits ziemlich warm.
Den Heuberg-Weg liess ich aus und gelangte via Underbärgli nach Oberbärgli. Bis hierhin gab’s regen Verkehr, denn offensichtlich erfreut sich der Rundwanderweg über den Heuberg grosser Beliebtheit.
Aber selbst auf dem weiteren Verlauf des Weges zur Blüemlisalphütte war mehr los als erwartet; es waren einige Leute unterwegs, sowohl im Auf- als auch Abstieg. Eine Pause auf ca. 2400m. War’s die Wärme? Ungenügende Kondition? Ich weiss es nicht, aber Tatsache war, dass ich immer grössere Mühe bekundete. Als die vielen Treppenstufen begannen, musste ich immer wieder mal stehenbleiben. Bis zum Hohtürli (2778m) musste ich gewaltig beissen – die Beine waren ziemlich leer …
Das kann ja heiter werden; wie soll ich auf die Blüemlisalp raufkommen, wenn bereits der Hüttenzustieg eine Herausforderung darstellt …? Nach 3 ¾ Std. hatte ich endlich die Blüemlisalphütte (2840m) erreicht. Es musste erst mal eine grosse Cola her; die feine Käseschnitte tat ebenfalls gut.
Die Hüttencrew absolvierte ihren ersten Tag in der Sommersaison und harmonierte bereits bestens (an dieser Stelle ein grosses Lob für die Organisation und die super Bewirtung!). Die Hütte war seit Tagen komplett ausgebucht, weshalb einige Wanderer auf die Fründenhütte ausweichen mussten. U.a. absolvierte eine grössere JO-Gruppe ihre Ausbildungstage auf der Blüemlisalphütte.
Kurz vor dem Nachtessen traf auch mein BF Peter ein und wir besprachen den folgenden Tag. Im Vorfeld hatten wir uns auf die Normalroute auf die Blüemlisalp geeinigt. Im Verlaufe unseres Gespräches kamen wir dann auch auf die Variante „Traverse“ zu sprechen. Ich äusserte allerdings meine Bedenken aufgrund des Hüttenzustieges und wollte deshalb bei der Normalroute bleiben. Wenig beruhigend war da die Aussage „ja, der Hüttenweg ist schon lang und zäh“ … Schliesslich meinte der BF bezgl. Traverse, „wir können das immer noch morgen früh entscheiden…“
Gipfeltag
02.45 Uhr Tagwache, 03.00 Uhr Frühstück … Es war eine kurze, schlaflose Nacht. Da die meisten Leute, welche übernachteten, bis mind. 6 Uhr ausschlafen konnten, war in der vollbesetzten Gaststube entsprechend lange Betrieb und an ein frühes Schlafen war nicht zu denken.
Um 03.35 Uhr starteten wir mit aufgesetzter Stirnlampe. Nach wenigen Minuten konnten wir bereits die Steigeisen anziehen und betraten den Blüemlisalpgletscher. Mässig ansteigend ging’s am Ufem Stock vorbei hinauf zum Blüemlisalpsattel (3100m). Hier stellte sich nun die Frage, Traverse ja/nein … So verlockend es klang, konnte ich mich nicht für die Traverse entscheiden. Hilfreich war da die Bemerkung des BF, dass man auch zuerst zur Blüemlisalpaufsteigen könnte, um dann neu zu beurteilen; schliesslich könnte man die Traverse auch umgekehrt angehen.
Dies schien mir eine gute Lösung zu sein; mal „sicher“ auf das Blüemlisalphorn zu steigen mit der Option auf mehr … Und wenn’s nicht geht, macht nix! Wir stiegen also in die Mulde hinunter, zogen einen Bogen und hielten somit gebührenden Abstand zu den Seracs über uns. Eine andere 2er-Seilschaft, die eigentlich die Nordwand begehen wollte, war sich der Sache nicht mehr sicher (zu viel Blankeis?) und nahm ebenfalls die Normalroute unter die Füsse. Ansonsten war niemand zu sehen.
Am Fusse des Rothornsattels kündigte sich der Sonnenaufgang in einem herrlichen, feuerroten Schauspiel an. Der Aufstieg zum Rothornsattel (3177m) ist sehr steil, der gute Trittschnee half aber bestens. Danach begann die Kraxelei auf plattigem Felsen. Genügend Stangen helfen zum Sichern. Diesen Abschnitt empfand ich als unschwierig und durch das professionelle Seilhandling meines BF’s kamen wir zügig voran.
Für den letzten Abschnitt, ein steiler Firngrat, zogen wir nochmals die Steigeisen an. Hier wurde es für mich etwas zäh, erreichten aber nach nur 3 Std. 20 Min. um 06.55 Uhr den Gipfel der Blüemlisalp (3661m). Wow, so früh stand ich wohl noch nie auf einem Gipfel! Wir legten die verdiente Gipfelpause ein und es galt, das phänomenale Panorama zu bestaunen; die Fernsicht war genial – zudem kein Wind.
Irgendwann kam’s zur entscheidenden Frage: Traverse ja/nein? Na ja, es war erst 7 Uhr; was tun mit dem angebrochenen Tag? Ich fühlte mich gut und so wollten wir es packen. Es war auch für den BF eine Premiere, die Traverse in umgekehrter Richtung anzugehen. Grundsätzlich bedeutet dies keine Nachteile: gewisse Passagen sind zwar schwieriger im Abstieg als im Aufstieg, dafür andere wiederum einfacher im Aufstieg als im Abstieg. Zeitlich waren wir sogar eine Stunde schneller als die gleichzeitig gestarteten Seilschaften in „normaler“ Richtung.
Etwas Sorgen bereitete uns eigentlich einzig der z.T. bereits weiche Schnee. So z.B. ein erster steiler Abstieg, welchen wir rückwärts auf Frontzacken bewältigten. Etwas mühsam, dass hier die Frontzacken nicht richtig griffen; man sank eher ein …
Kurz darauf folgte (m.E.) eine der kniffligsten Stellen: steiler Abstieg, welcher zum Schluss fast senkrecht über einem Bergschrund endete. Der BF entschied, mich für die letzten ca. 15m abzuseilen, während ich ihm mein Pickel überliess, damit er selbst mit 2 Geräten absteigen konnte.
Firngrat wechselt sich mit Kraxeleien im Fels ab; wahrlich ein wunderschöner Grat mit noch schöneren Aussichten Richtung Bietschhorn & Monte Rosa im Süden, im Norden war der Thunersee ein ständiger Begleiter. Der Aufstieg auf die Wyssi Frau sah lang und steil aus; jedenfalls eine der Passagen, welche ich lieber im Aufstieg bewältigen wollte. Zudem sah der Grat aus wie eine Mini-Ausführung des Biancogrates … ;-). Als wir diesen bezwungen hatten, war die Höhe auch schon erreicht. Es folgte ein Auf- und Ab auf dem Grat, bis wir schliesslich den Gipfel der Wyssi Frau (3648m) erreicht hatten.
Es war mittlerweile ca. 09.15 Uhr; immer noch gut in der Zeit und bis hierhin waren die Bedingungen insgesamt wirklich überraschend gut. Der Abstieg in den Sattel zwischen Wyssi Frau und Morgenhorn wurde dann allerdings bereits ziemlich mühsam; wir sanken fast bei jedem Schritt bis zu den Knien ein. Wir waren deshalb froh, endlich wieder Felsen unter den Füssen zu haben.
Beim Übersteigen eines grösseren Gendarms habe ich an einer kniffligen Stelle (eher einfacher im Abstieg?) mein Knie am Felsen angeschlagen – das sollte mich im Folgenden noch beschäftigen … Ca. 45 Min. nach der Wyssi Frau hatten wir auch den letzten Gipfel bestiegen, das Morgenhorn (3623m). Noch einmal durften wir das grandiose Panorama geniessen; u.a. schräg vis-à-vis das Dreigestirn EMJ.
Der steile Abstieg vom Morgenhorn erwies sich erfreulicherweise leichter als befürchtet, die Unterlage war erstaunlich griffig. Wieder im Rückwärtsgang auf Frontzacken absteigend, erreichten wir den Rand eines Bergschrundes / Spaltenzone. Plötzlich hatte ich keinen Halt mehr unter den Füssen – da war ein grösseres Loch …
Wir versuchten eine andere Stelle, auch da war kein Durchkommen. Schliesslich nochmals zurück und diesmal ging der BF voraus. Er probierte eine andere Stelle und kam hinüber. Ich folgte ihm und anschliessend tänzelten wir am Rande der Kluft entlang. Da passierte ein ungewöhnliches Missgeschick: beim Stufen schlagen spickte dem BF plötzlich das Eisen weg, flog in hohem Bogen den steilen Abhang hinunter und blieb weiter unten im Schnee stecken. Ups, da schauten wir beide ziemlich dumm aus der Wäsche, als nur noch der Stil da war! Ev. ein Haarriss? Sollte eigentlich nicht passieren!
Endlich erreichten wir wieder das nächste Schneefeld. Das Überwinden des Schrundes war für mich die Stelle, wo ich mich am unwohlsten fühlte. Ich hätte nicht gewusst, wo ich hin stehen könnte und wo nicht; da war einfach blindes Vertrauen in den BF …
Bald wurde das Gelände wieder gehfreundlicher; sprich flacher. Wir erreichten wieder den Blüemlisalpsattel und schlenderten auf dem Gletscher gemütlich wieder der Hütte zu. Nach insgesamt 8 ½ Std. erreichten wir wieder die Blüemlisalphütte; gerade rechtzeitig zum Mittagessen ;-)).
Der Abstieg erfolgte über den schön angelegten Wanderweg in Richtung Griesalp. Der erste Abschnitt führt über unzählige Treppen; im Aufstieg wohl auch ziemlich schweisstreibend … Die natürliche Dusche (schöne Wasserfälle) auf dem Wanderweg war eine willkommene Erfrischung.
Wie das leider so ist beim Vernichten von vielen Höhenmetern, stellten sich bei mir irgendwann wieder mal die Knieschmerzen ein. Ich war deshalb froh, als wir auf der Alp Bundläger (1919m) das Auto des BF’s erreichten.
Peter, herzlichen Dank für die geniale Tour! Es hat alles gepasst, das hat bestens harmoniert; gerne ein anderes Mal wieder!
Fazit:
eine der schönsten Hochtouren, die ich bislang gemacht habe! Grandiose Landschaft und eine Tour, welche alles beinhaltet und somit keine Wünsche offen lässt. Dazu perfekte Bedingungen, kein Wind, angenehme Temperaturen, maximale Fernsicht. Was will man mehr??
Schwierigkeiten:
Nach meinem Empfinden gab es 2 knifflige Stellen im Fels (jeweils im Aufstieg; III) sowie die eine beschriebene Stelle im steilen Firn (Abstieg vom Blüemlisalphorn in Richtung Wyssi Frau). Ansonsten gibt’s natürlich zahlreiche ausgesetzte Stellen, im Fels bewegt man sich meistens in genussreichem IIer-Gelände.
Bedingungen:
Wie bereits erwähnt, trafen wir perfekte Bedingungen an, welche aber höchstens noch 1-2 Wochen anhalten dürften. So früh im Jahr sei der Grat noch nie ausgeapert; im Juli sei die Tour vermutlich bereits passé. Überhaupt dauert die „Traverse-Saison“ mit guten Bedingungen nur etwa 3 Wochen; ansonsten muss man mit Blankeis rechnen …
Zahlen:
Tag 1: Aufstieg 1266m, Abstieg 115m, 3 ¾ Std., 10.4 km
Tag 2: Aufstieg 1157m, Abstieg 1935m, 10 Std., 17.5 km
Aufgrund einer dummen Handverletzung konnte ich die letzten 5 Wochen nichts unternehmen (keine Details an dieser Stelle; ich sag nur „ÖV bzw. Bus fahren ist gefährlicher als Bergsteigen …!“). Die Skisaison war somit früher beendet als ursprünglich geplant und in die Sommersaison konnte ich bislang auch nicht starten.
Als der Arzt schliesslich grünes Licht gab, wollte ich keine Zeit verlieren und gleich mit einer „richtigen“ Tour in die Sommersaison starten … ;-).
Die Blüemlisalp ist ein wunderschönes Massiv, welches ich zuletzt im Mai von Thun aus wieder mal bewundern durfte. Eigentlich stand ursprünglich mal die bekannte Traversierung auf der Projektliste. Da ich aber wie erwähnt die letzten Wochen nichts machen konnte, musste die Vernunft siegen und ich mich mit der „einfacheren“ Variante begnügen – so war zumindest der Plan …
Hüttenzustieg
Von Kandersteg liess ich mich gemütlich zum Öschinensee hinaufgondeln, der beim heutigen Prachtswetter verständlicherweise viel Besuch erhielt. Ich startete also bei der Bergstation und wanderte gleich Richtung Läger los. Ich entschied mich zu Gunsten der schattenspendenden Wegabschnitte, denn es war bereits ziemlich warm.
Den Heuberg-Weg liess ich aus und gelangte via Underbärgli nach Oberbärgli. Bis hierhin gab’s regen Verkehr, denn offensichtlich erfreut sich der Rundwanderweg über den Heuberg grosser Beliebtheit.
Aber selbst auf dem weiteren Verlauf des Weges zur Blüemlisalphütte war mehr los als erwartet; es waren einige Leute unterwegs, sowohl im Auf- als auch Abstieg. Eine Pause auf ca. 2400m. War’s die Wärme? Ungenügende Kondition? Ich weiss es nicht, aber Tatsache war, dass ich immer grössere Mühe bekundete. Als die vielen Treppenstufen begannen, musste ich immer wieder mal stehenbleiben. Bis zum Hohtürli (2778m) musste ich gewaltig beissen – die Beine waren ziemlich leer …
Das kann ja heiter werden; wie soll ich auf die Blüemlisalp raufkommen, wenn bereits der Hüttenzustieg eine Herausforderung darstellt …? Nach 3 ¾ Std. hatte ich endlich die Blüemlisalphütte (2840m) erreicht. Es musste erst mal eine grosse Cola her; die feine Käseschnitte tat ebenfalls gut.
Die Hüttencrew absolvierte ihren ersten Tag in der Sommersaison und harmonierte bereits bestens (an dieser Stelle ein grosses Lob für die Organisation und die super Bewirtung!). Die Hütte war seit Tagen komplett ausgebucht, weshalb einige Wanderer auf die Fründenhütte ausweichen mussten. U.a. absolvierte eine grössere JO-Gruppe ihre Ausbildungstage auf der Blüemlisalphütte.
Kurz vor dem Nachtessen traf auch mein BF Peter ein und wir besprachen den folgenden Tag. Im Vorfeld hatten wir uns auf die Normalroute auf die Blüemlisalp geeinigt. Im Verlaufe unseres Gespräches kamen wir dann auch auf die Variante „Traverse“ zu sprechen. Ich äusserte allerdings meine Bedenken aufgrund des Hüttenzustieges und wollte deshalb bei der Normalroute bleiben. Wenig beruhigend war da die Aussage „ja, der Hüttenweg ist schon lang und zäh“ … Schliesslich meinte der BF bezgl. Traverse, „wir können das immer noch morgen früh entscheiden…“
Gipfeltag
02.45 Uhr Tagwache, 03.00 Uhr Frühstück … Es war eine kurze, schlaflose Nacht. Da die meisten Leute, welche übernachteten, bis mind. 6 Uhr ausschlafen konnten, war in der vollbesetzten Gaststube entsprechend lange Betrieb und an ein frühes Schlafen war nicht zu denken.
Um 03.35 Uhr starteten wir mit aufgesetzter Stirnlampe. Nach wenigen Minuten konnten wir bereits die Steigeisen anziehen und betraten den Blüemlisalpgletscher. Mässig ansteigend ging’s am Ufem Stock vorbei hinauf zum Blüemlisalpsattel (3100m). Hier stellte sich nun die Frage, Traverse ja/nein … So verlockend es klang, konnte ich mich nicht für die Traverse entscheiden. Hilfreich war da die Bemerkung des BF, dass man auch zuerst zur Blüemlisalpaufsteigen könnte, um dann neu zu beurteilen; schliesslich könnte man die Traverse auch umgekehrt angehen.
Dies schien mir eine gute Lösung zu sein; mal „sicher“ auf das Blüemlisalphorn zu steigen mit der Option auf mehr … Und wenn’s nicht geht, macht nix! Wir stiegen also in die Mulde hinunter, zogen einen Bogen und hielten somit gebührenden Abstand zu den Seracs über uns. Eine andere 2er-Seilschaft, die eigentlich die Nordwand begehen wollte, war sich der Sache nicht mehr sicher (zu viel Blankeis?) und nahm ebenfalls die Normalroute unter die Füsse. Ansonsten war niemand zu sehen.
Am Fusse des Rothornsattels kündigte sich der Sonnenaufgang in einem herrlichen, feuerroten Schauspiel an. Der Aufstieg zum Rothornsattel (3177m) ist sehr steil, der gute Trittschnee half aber bestens. Danach begann die Kraxelei auf plattigem Felsen. Genügend Stangen helfen zum Sichern. Diesen Abschnitt empfand ich als unschwierig und durch das professionelle Seilhandling meines BF’s kamen wir zügig voran.
Für den letzten Abschnitt, ein steiler Firngrat, zogen wir nochmals die Steigeisen an. Hier wurde es für mich etwas zäh, erreichten aber nach nur 3 Std. 20 Min. um 06.55 Uhr den Gipfel der Blüemlisalp (3661m). Wow, so früh stand ich wohl noch nie auf einem Gipfel! Wir legten die verdiente Gipfelpause ein und es galt, das phänomenale Panorama zu bestaunen; die Fernsicht war genial – zudem kein Wind.
Irgendwann kam’s zur entscheidenden Frage: Traverse ja/nein? Na ja, es war erst 7 Uhr; was tun mit dem angebrochenen Tag? Ich fühlte mich gut und so wollten wir es packen. Es war auch für den BF eine Premiere, die Traverse in umgekehrter Richtung anzugehen. Grundsätzlich bedeutet dies keine Nachteile: gewisse Passagen sind zwar schwieriger im Abstieg als im Aufstieg, dafür andere wiederum einfacher im Aufstieg als im Abstieg. Zeitlich waren wir sogar eine Stunde schneller als die gleichzeitig gestarteten Seilschaften in „normaler“ Richtung.
Etwas Sorgen bereitete uns eigentlich einzig der z.T. bereits weiche Schnee. So z.B. ein erster steiler Abstieg, welchen wir rückwärts auf Frontzacken bewältigten. Etwas mühsam, dass hier die Frontzacken nicht richtig griffen; man sank eher ein …
Kurz darauf folgte (m.E.) eine der kniffligsten Stellen: steiler Abstieg, welcher zum Schluss fast senkrecht über einem Bergschrund endete. Der BF entschied, mich für die letzten ca. 15m abzuseilen, während ich ihm mein Pickel überliess, damit er selbst mit 2 Geräten absteigen konnte.
Firngrat wechselt sich mit Kraxeleien im Fels ab; wahrlich ein wunderschöner Grat mit noch schöneren Aussichten Richtung Bietschhorn & Monte Rosa im Süden, im Norden war der Thunersee ein ständiger Begleiter. Der Aufstieg auf die Wyssi Frau sah lang und steil aus; jedenfalls eine der Passagen, welche ich lieber im Aufstieg bewältigen wollte. Zudem sah der Grat aus wie eine Mini-Ausführung des Biancogrates … ;-). Als wir diesen bezwungen hatten, war die Höhe auch schon erreicht. Es folgte ein Auf- und Ab auf dem Grat, bis wir schliesslich den Gipfel der Wyssi Frau (3648m) erreicht hatten.
Es war mittlerweile ca. 09.15 Uhr; immer noch gut in der Zeit und bis hierhin waren die Bedingungen insgesamt wirklich überraschend gut. Der Abstieg in den Sattel zwischen Wyssi Frau und Morgenhorn wurde dann allerdings bereits ziemlich mühsam; wir sanken fast bei jedem Schritt bis zu den Knien ein. Wir waren deshalb froh, endlich wieder Felsen unter den Füssen zu haben.
Beim Übersteigen eines grösseren Gendarms habe ich an einer kniffligen Stelle (eher einfacher im Abstieg?) mein Knie am Felsen angeschlagen – das sollte mich im Folgenden noch beschäftigen … Ca. 45 Min. nach der Wyssi Frau hatten wir auch den letzten Gipfel bestiegen, das Morgenhorn (3623m). Noch einmal durften wir das grandiose Panorama geniessen; u.a. schräg vis-à-vis das Dreigestirn EMJ.
Der steile Abstieg vom Morgenhorn erwies sich erfreulicherweise leichter als befürchtet, die Unterlage war erstaunlich griffig. Wieder im Rückwärtsgang auf Frontzacken absteigend, erreichten wir den Rand eines Bergschrundes / Spaltenzone. Plötzlich hatte ich keinen Halt mehr unter den Füssen – da war ein grösseres Loch …
Wir versuchten eine andere Stelle, auch da war kein Durchkommen. Schliesslich nochmals zurück und diesmal ging der BF voraus. Er probierte eine andere Stelle und kam hinüber. Ich folgte ihm und anschliessend tänzelten wir am Rande der Kluft entlang. Da passierte ein ungewöhnliches Missgeschick: beim Stufen schlagen spickte dem BF plötzlich das Eisen weg, flog in hohem Bogen den steilen Abhang hinunter und blieb weiter unten im Schnee stecken. Ups, da schauten wir beide ziemlich dumm aus der Wäsche, als nur noch der Stil da war! Ev. ein Haarriss? Sollte eigentlich nicht passieren!
Endlich erreichten wir wieder das nächste Schneefeld. Das Überwinden des Schrundes war für mich die Stelle, wo ich mich am unwohlsten fühlte. Ich hätte nicht gewusst, wo ich hin stehen könnte und wo nicht; da war einfach blindes Vertrauen in den BF …
Bald wurde das Gelände wieder gehfreundlicher; sprich flacher. Wir erreichten wieder den Blüemlisalpsattel und schlenderten auf dem Gletscher gemütlich wieder der Hütte zu. Nach insgesamt 8 ½ Std. erreichten wir wieder die Blüemlisalphütte; gerade rechtzeitig zum Mittagessen ;-)).
Der Abstieg erfolgte über den schön angelegten Wanderweg in Richtung Griesalp. Der erste Abschnitt führt über unzählige Treppen; im Aufstieg wohl auch ziemlich schweisstreibend … Die natürliche Dusche (schöne Wasserfälle) auf dem Wanderweg war eine willkommene Erfrischung.
Wie das leider so ist beim Vernichten von vielen Höhenmetern, stellten sich bei mir irgendwann wieder mal die Knieschmerzen ein. Ich war deshalb froh, als wir auf der Alp Bundläger (1919m) das Auto des BF’s erreichten.
Peter, herzlichen Dank für die geniale Tour! Es hat alles gepasst, das hat bestens harmoniert; gerne ein anderes Mal wieder!
Fazit:
eine der schönsten Hochtouren, die ich bislang gemacht habe! Grandiose Landschaft und eine Tour, welche alles beinhaltet und somit keine Wünsche offen lässt. Dazu perfekte Bedingungen, kein Wind, angenehme Temperaturen, maximale Fernsicht. Was will man mehr??
Schwierigkeiten:
Nach meinem Empfinden gab es 2 knifflige Stellen im Fels (jeweils im Aufstieg; III) sowie die eine beschriebene Stelle im steilen Firn (Abstieg vom Blüemlisalphorn in Richtung Wyssi Frau). Ansonsten gibt’s natürlich zahlreiche ausgesetzte Stellen, im Fels bewegt man sich meistens in genussreichem IIer-Gelände.
Bedingungen:
Wie bereits erwähnt, trafen wir perfekte Bedingungen an, welche aber höchstens noch 1-2 Wochen anhalten dürften. So früh im Jahr sei der Grat noch nie ausgeapert; im Juli sei die Tour vermutlich bereits passé. Überhaupt dauert die „Traverse-Saison“ mit guten Bedingungen nur etwa 3 Wochen; ansonsten muss man mit Blankeis rechnen …
Zahlen:
Tag 1: Aufstieg 1266m, Abstieg 115m, 3 ¾ Std., 10.4 km
Tag 2: Aufstieg 1157m, Abstieg 1935m, 10 Std., 17.5 km
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Linard03
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