Der grüne Marathon um Zürich
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Beim Planen dieses Wochenendes stiess ich nur auf Webcams, die Schnee zeigen. Dann weist Wanderfreund Thomas Widmer auf den Green Marathon in Zürich hin, der am 21. Mai offiziell lanciert wird. „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“, denke ich mir. Ich mache mich auf, die vielversprechende Umrundung der Stadt zu erkunden und bin überrascht, wieviel Neues ich dabei entdecke.
Morgens um halb acht laufen wir los beim Chinagarten im Seefeld. Weisse Pfeile mit einem grünen Kleber weisen den Weg entlang des kanalisierten Hornbachs. Die Beschilderung ist (noch?) nicht durchgehend. Später werden rhombusförmige, ebenfalls weisse Täfelchen mit einem Wanderpiktogramm auftauchen. Lass dich nicht verwirren! Es schadet nicht, eine Karte mitzuführen.
Beim botanischen Garten verschluckt uns der Wald. Für Rolf und mich ist dieser Streckenabschnitt ein Highlight, gehört doch der Wehrenbach zu unseren Evergreens. Bis zur Trichtenhausermühle folgen wir diesem wilden, für mich schönsten Bachtobel der Region. Bei der Mühle mit seinem noch drehenden Mühlrad angekommen, verlassen wir den tiefen Geländeeinschnitt und schlagen den Wanderweg nach Witikon ein. Bei der pittoresken Kirche weichen wir erstmals kurz von der markierten Route ab. Der kleine Hügel bietet einen der schönsten Aussichtspunkte im Norden Zürichs und muss einfach „mitgenommen“ werden. Der weite Blick nach Süden gleitet über Stadt und See zur verschneiten Alpenkette. Cool!
Dann führt uns der Weg entlang des obersten Teils des Stockenbachs (mit Baumlehrpfad), später erklimmen wir über breite Waldwege den Loorenkopf, der höchste Punkt der Runde. Eine grosse Schar Kinder – der Turm ist wohl für 50% aller Zürcher Primarschüler eine Schulreise wert – tollt im Wald. Wir fürchten um das Leben einer grossen Weinmannschnecke, die sich mitten auf dem Weg in ihrem zerbrechlichen Haus in falscher Sicherheit wähnt.
Beim Abstieg vom Adlisberg kürzen wir die markierte Route etwas ab. Wir lassen das Degenried (und damit die Beiz) aus und zielen direkt auf die Kunsteisbahn Dolder zu. Gegenüber schlagen Golfer ihre Bälle in die Weite. Unser Znüni soll wenig später im Sorell-Hotel am Zürichberg stattfinden. Das Warten lohnt sich: Die Tische sind bereits gedeckt, und bei herrlichster Aussicht gönnen wir uns warme Buttergipfeli und ein Schorle.
Weiter geht’s über einen Panoramaweg am Waldrand, der entlang gepflegter Schrebergärten führt. Bald zweigen wir wieder von der Route ab und stechen in den Wald, um auf der Krete das Schlachtendenkmal zu besuchen, dass an die Scharmützel zwischen Russen und Franzosen (1799) erinnert. Heute unvollstellbar, das eine „fremde Macht und Fremdlinge“ die Zürcher monatelang die Luft anhalten liessen. Es war das Ende der dreihundertjährigen Zunft-Oligarchie.
Wir passieren einen hübschen Weiher mit zahlreichen Picknickplätzen, steigen durch eine steiles Tobel ab und gelangen so an den westlichen Waldrand des Zürichbergs, der erneut mit einem lohnenden Panorama aufwartet. Über das ehemalige Strickhofgelände (für jüngere Leser: die Landwirtschaftsschule) wandern wir durch den Irchelpark entlang der Uni zum Milchbuck. Der Park ist inzwischen 30 Jahre alt, der ehemalige Tunnelbauplatz ist zu einer kräftigen grünen Lunge gewachsen. Wir staunen, wie wenig „Stadt“ wir anschliessend durchqueren müssen, bis wir schon über die elegant geschwungenen Fussgängerpassarellen des Bucheggplatzes surfen und den Fuss des Käferbergs erreichen.
Nun folgt ein schier endloser Schrebergärten-Gürtel. Mittendrin liegt das Restaurant Waid an seiner beneidenswerten Lage mit der freien Sicht über Stadt und See in die Alpen. Für den Lunch ist es zu früh, und so folgen wir weiteren Schrebergärten. Ein nächstes Highlight bildet der malerische Bauernweiler („hier gibt es täglich frische Milch“ steht geschrieben) am Eingang der Einfahrt zur ETH-City auf dem Hönggerberg. Nun wird es wieder sehr ruhig, wir passieren zahlreiche Fussballplätze, tauchen wieder in Wald ein und erreichen schliesslich das Restaurant Grünwald. Wir sind am Wendepunkt, es ist genau 12 Uhr. Der Waldkiosk ist offen, und bald steht ein grosser Teller Wurst-Käsesalat vor uns.
Die folgende Umrundung des oft verpönten Rütihofs mit seinen Göhnerbauten erweist sich als „grünes Erlebnis“. Die Siedlung ist eingebettet in Weid- und Ackerland, Ziegen und Kühe grasen, Hühner gackern. Systembau hin oder her, hier lässt es sich friedlich leben. Auf dem Abstieg zum Frankental wird’s noch grüner, wir wandern inmitten von Weinbergen. Dazwischen schimmert das Wasser der Badi Höngg. An der Endhaltestelle der 13ers locken ein paar nette Bäckereien und Beizli zum Kaffee, wir tauchen aber gleich zur Limmat ab, über die eine schmale Hängebrücke führt. Wir sind am tiefsten Punkt der Tour angelangt.
Wir umrunden die gigantischen Werdhölzli-Kläranlagen, die derzeit nochmals erweitert werden und einen kleinen Umweg bedingen. Bis 2018 sollen auch „Mikroorganismen aus Resten von Kosmetikartikeln etc.“ aus dem Wasser gefischt werden können. Was für einen Wohlstand leisten wir uns! Dann folgt ein etwas weniger schönes Teilstück entlang der Juchhofgärten, unter die Autobahn hindurch und über die lange Brücke zur Überschreitung der Bahnanlagen. Beim Postverteilzentrum Mülligen erreichen wir die andere Talseite. Rolf muss sich verabschieden, ich danke ihm für die tolle Begleitung. Dann tauche ich in das Häusermeer von Altstätten ein. Im Zickzack um viele Strassenecken und entlang von Schulen mit spielenden Kindern erreiche ich den oberen Rand der Bauzone und befinde mich schon bald wieder im Grünen.
Jetzt beginnt der Flanierteil der Tour. Fast keine Höhenmeter mehr, breite Wege, meist asphaltiert. Die Strecke von hier nach Albisrieden, und dann wieder vom Triemli bis zum Albisgüetli, ist geprägt von Friedhöfen, Fussballplätzen und Schrebergärten, alle mit schönster Sicht über die Stadt. Albisrieden erfreut mit seinem historischen Dorfkern, gefolgt von endlosen Reihen kleiner (Reihen-)Häuschen aus allen Epochen des letzten Jahrhunderts. Beim Triemli wird letztmals etwas mehr gestiegen, ich überhole hier schnaubende, kinderwagenstossende Mütter und Väter.
Rund um das frisch renovierte Atlantis-Hotel weiden Kühe einer besonders dunkelhaarigen Rasse. Mit Vorfreude blicke ich auf die Terrasse des „Ecco“ hinunter, wo ich heute Abend mit Simone und Freunden dinieren werde. Beim Schützenhaus Albisgüetli findet der Panoramaweg sein Ende. Entlang von Strassenverkehrsamt und Üetlihof führt der Wanderweg zur Allmend hinunter, wo das Grün ein abruptes, vorläufiges Ende findet. Beim Sihlcity ist es lärmig, aber bald zweigt die Route wieder auf den Wanderweg entlang der Sihl ab.
Der scheussliche Autobahndeckel wirft einen angenehmen Schatten (man muss ja positiv denken), es ist warm geworden. Weiter unten wird die Sihlpromenade dann wieder richtig grün. Bei der Rio-Bar kurz vor dem Bahnhof erfolgt eine 180 Grad-Kehre, die markierte Route folgt nun dem parkähnlich angelegten Schanzengraben bis zum See. Ich verspüre nun aber Lust auf „Stadtleben“ und zweige in die Löwenstrasse ein, um direkt an die Limmat zu gelangen. In der Schipfe 16 gibt es das verdiente kühle Bier. Der Rest ist schnell erzählt: Der Schipfe folgen, entlang von Fraumünster und Helmhaus zum Bellevue, dann die lange Seepromenade hinaus zurück zum Chinagarten. Da gibt es soviel zu sehen, das es hier keinen Platz finden würde….
Fazit: Der Green Marathon ist nicht nur für Läufer eine wunderbare Variante, die Natur und Kurioses am Rand von Zürich zu erkunden und dabei viel Panorama zu geniessen. Die Teilstrecke vom Chinagarten bis Frankental ist mehrheitlich als „Wanderung“ einzustufen. Der letzte Drittel von Altstetten zurück hat eher Spaziergang-Charakter.
Den interaktiven Kartenausschnitt zur Route findest Du auf meinem Wanderblog: http://www.edwinwandert.com/2017/05/der-gruene-marathon-um-zuerich/
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