Pizzo Lucendro (2962m) – via NW-Flanke
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Es hatte eine Weile gedauert, bis Mueri und ich Gelegenheit für eine gemeinsame Tour fanden. Mit dem Finsteraarhorn suchten wir uns ein entsprechend würdiges Projekt aus. Aufgrund immer schlechter werdenden Prognosen wurde daraus leider nichts, doch irgendwie galt es die Woche bzw. Mueri's Ferien zu retten. Angesichts der Wetterprognose für Donnerstag, die erst so ab Mittag gute Sicht versprach, verschrieben wir uns einem gemütlichen Tourenstart. Das Ziel: Pizzo Lucendro. Ich hatte zwar wenig Lust auf die lange Latscherei durchs Witenwasserental, doch Mueri's Idee, die Direktabfahrt vom Gipfel zu machen, reizte mich letztlich doch. Zudem bot die Tour den Vorteil, dass schlechte Sichtverhältnisse bis am Mittag kein Problem darstellten, wird doch das Gelände erst so in der letzten Aufstiegsstunde etwas seriöser.
Als wir in Realp ankamen, schneite es noch leicht. Bis kurz vor Schweig buckelten wir die Ski. Wir folgten dem Strässchen durch die Schluecht und spurten nach Oberchäseren hoch, wo wir auf die Spur eines Einzelgängers trafen. Beim Witenwasserenstafel stiessen wir auf eine Autobahn: 15 bis 20 Leute waren anscheinend von der Rotondohütte her in Richtung Pizzo Lucendro aufgestiegen. Auch diese Spur nahmen wir natürlich gerne unter die Füsse. Kurz vor dem Übergang zum Ghiacciaio di Lucendro kam uns die Gruppe schliesslich entgegen. Sie war noch vor dem Gipfel umgekehrt.
Für uns hingegen zeigte sich nun, dass wir mit unserem verhältnismässig späten Start (um 8.30 Uhr) richtig gepokert hatten. Die Wolken verzogen sich zusehends. Als wir auf das Lucendro-Gletscherchen querten, zog es allerdings wieder zu. Bald erreichten wir den verwechteten Gipfelgrat und banden die Ski auf. Pickel und Steigeisen blieben für den kurzen Schlussaufstieg im Rucksack. Nach rund vierstündigem Aufstieg erreichten wir den Pizzo Lucendro – und blauen Himmel.
Auf eine Gipfelpause verzichteten wir, denn die Sicht in den NW-Hang direkt unter dem Gipfel war perfekt. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Wir entschlossen uns, zu Fuss in die Flanke abzusteigen. Nach ein paar Metern über den W-Grat zogen wir in die Flanke und stiessen dabei auf Fels. Ganz ohne Feindkontakt wäre man wohl auch mit Ski nicht durchgekommen. Die Flanke – nach Karte ist sie zwischen 40 und 45° steil – präsentierte sich in bestem Zustand, sprich: gut eingeschneit und mit mindestens 30 Zentimeter Pulverschnee verzuckert. Hopp de Bäse!
Es folgte eine traumhafte Steilabfahrt durch die NW-Flanke, bei der wir etwas Lockerschnee auslösten. Schwung um Schwung sausten wir zu Tale, wobei der Schnee vielleicht so ab 2400m etwas schwerer wurde. Alles in allem war die Abfahrt zum Oberstafel ein einziger Genuss und so ziemlich genau das, was wir uns von unserem Ausflug erhofft hatten. Dank der grossen Gruppe, die vor uns talauswärts gefahren war, gelang die eher flache Rückfahrt im Bremsschnee relativ gut. Nach Schweig banden wir die Ski auf und liefen zurück nach Realp. Wer die 45-minütige Latscherei nicht scheut, wird im Rotondogebiet nach wie vor besten Tourenverhältnisse antreffen. Wie's ausschaut, wird sich die Tragstrecke jedoch bald bis ca. Oberchäseren verlängern.
SLF: mässig (Neu- und Triebschnee oberhalb 2500m, nasse Lawinen im Tagesverlauf)
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