Muragl-Modul 5: "No Snow" am 19. Dezember...


Publiziert von fuemm63 , 19. Dezember 2015 um 17:01.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Oberengadin
Tour Datum:19 Dezember 2015
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 1:15
Aufstieg: 675 m
Strecke:Acla Muragl - Tegia Muragl - Muottas Muragl
Kartennummer:map.geo.admin.ch

Kurze, aber knackige Wanderung auf dem (bis auf wenige schattige Spitzkurven) Ende Dezember total aperen Schlittelweg von Acla Muragl (1785 m) nach Muottas Muragl (2454 m).

Diese Dezemberwoche – kurz nach dem Ende der UN-Klimakonferenz in Paris – habe ich mit sursass58 im Gebiet Bernina/Oberengadin vier Wanderungen zwischen 1'800 und 2'450 m unternommen. Schnee liegt zurzeit erst ab 2'500 m Höhe, und auch das nur bescheiden. Die Skigebiete erwarten auf heute die Weihnachtsgäste und haben die Skipisten seit Tagen maschinell beschneit. Das ergibt von Muottas Muragl (2454 m) ein surreales Bild, wenn inmitten einer braun-grünen Hochgebirgslandschaft weisse Streifen die Pisten und Loipen markieren. "Grüne Hügel, schwarze Aussichten" titelt die Schweiz am Sonntag (20.12.15) kurz und treffend. Was tun? Beim Lej Alv, auf 2'550 m im Valletta Schlattain, wurde das grösste Naturspeicherbecken der Schweiz erstellt, das 400'000 Kubikmeter Wasser fasst und mit dem die Hälfte des 'weissen Golds' für das Skigebiet Margun/Corviglia maschinell produziert wird – und wenn es zu wenig Wasser im Becken hat, dann wird es halt dort hinaufgepumpt. Die Engadiner Post meint in ihrer Ausgabe vom 2. August 2014 dazu: "Man kann es drehen und wenden wie man will: Der alpine Skisport ist und bleibt die Kernkompetenz der Region, von der viele Arbeitsplätze abhängen. Der Schnee ist das Betriebsmittel dazu". Eine interessante Begrifflichkeit – wir könnten uns durchaus auch andere "Kernkompetenzen" und "Betriebsmittel" im Oberengadin vorstellen. Der Tages-Anzeiger schreibt: "Selbst Schneekanonen versagen". ABEGG, STEIGER & WALSER haben 2013 unter dem Titel Herausforderung Klimawandel. Chancen und Risiken für den Tourismus in Graubünden eine Auslegeordnung zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintertourismus in Graubünden gemacht. Zitat daraus:

"Im Verlaufe des 21. Jahrhunderts wird sich die natürliche Schneesicherheit (ohne Beschneiung) der Bündner Skigebiete deutlich verschlechtern, vor allem in den Weihnachts- und Neujahrsferien. [...] Die technische Schneesicherheit kann allerdings nur gewährleistet werden, wenn deutlich mehr beschneit wird. Das bedeutet mehr Beschneiungsanlagen, höherer Ressourcenbedarf und höhere Kosten. Als kritisch gelten die Wasserverfügbarkeit und die Finanzierung. [...] Mit einer griffigen Klimapolitik (z. B. 2°C-Ziel) könnten die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf den schneebasierten Tourismus deutlich eingeschränkt werden." (S. 45)

Den Aufwand für eine Beschneiung berechnen ABEGG, STEIGER & WALSER folgendermassen:

"Für die Grundbeschneiung einer Hektare Piste (30 cm) benötigt man also 1200–1500 m3 Wasser (1,2 – 1,5 Mio. Liter Wasser) – und entsprechend mehr, falls nachbeschneit werden muss. Der Wasserbedarf ist gross. In Davos macht er 21,5%, in Scuol gar 36,2% des jährlichen kommunalen Wasserverbrauchs aus. Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Wasserversorgung eine grosse Herausforderung darstellt (vgl. Bieger et al. 2010)." (S. 57)

Im Engadin hat man vorausschauend 400 Alternativ-Angebote als "No-Snow-Programm" kreiert (eine Art Verlängerung des Sommer- und Herbst-Programms). Warum dann noch beschneien? Flexibilität und Einsatz für die Umwelt sind wohl eher die "Kernkompetenzen" der Tourismusbranche – sonst schneiden sie sich letztendlich ins eigene Fleisch.

ABEGG ET AL. (2013): Download des ganzen Berichts (72 S.) unter diesem Link

Tourengänger: fuemm63, sursass58


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